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Einladung zum Vortrag beim GIB

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Partei Marx an GIB  (Zur Diskussion)

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‚Kommunismus‘ und Kommunismus in Deutschland »

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Inhalt

Mit der Gründung einer gesamtdeutschen sozialistischen Einheitspartei durch die ehemalige DDR-Nomenklatura ist das unter dem Namen partei Marx gestartete und mit der guten Absicht verbundene Projekt, in der westdeutschen Rest-Linken eine Debatte über die Ursachen der Auflösung der Sowjetunion zu führen, in seiner bisherigen Form gescheitert. Einer der Gründe dafür besteht darin, daß die ehemalige westdeutsche Linke nie auf dem Boden der Realität des zu ihrer Zeit gespaltenen Deutschland angekommen war. Mit der Gründung einer gesamtdeutschen SED ist jegliche „innerparteiliche Opposition“ vergebliche Liebesmüh‘. Und dies nicht zuletzt wegen der stillschweigenden Duldung und Unterstützung der Annexion von Teilen Georgiens durch Rußland, das zu der sozialimperialistischen Politik der „beschränkten Souveränität“ der untergegangenen Sowjetunion gegenüber seinen Nachbarländern zurückgekehrt zu sein scheint und mit der nach deren Austritt aus der Union zurückgewonnenen Souveränität zunehmend in Konflikt gerät.

Der Einmarsch Rußlands in Georgien ist von der gleichen Qualität wie der einige Jahre zuvor vorgenommene Angriff der westlichen Hegemonialmacht auf den Irak, was die gesamtdeutsche Linke in ihrem an Beschränktheit nicht zu übertreffenden Antiamerikanismus aber wenig stört. Nachdem sich diese von der großrussischen Annexionspolitik nicht klar und eindeutig distanzieren konnte, ist das zuvor schon reichlich illusionäre Projekt der partei Marx vollends unmöglich geworden. Anstelle von »back to the roots« der Marxschen Partei ist seitdem wieder „back in the USSR“ angesagt. Die wiedervereinigte deutsche Linke ist, wie es scheint, zum Stalinschen Zarentum und zur Stalinschen Antifa zurückgekehrt, um mit der alten Anti-“Kommunismus“-Keule auf die lernunwilligen faschistischen Deutschen einzuprügeln. Die sollen zahlen und das Maul halten… Jedenfalls hätten sie dies oder Ähnliches von einer zukünftigen Regierung unter Beteiligung der Partei Die Linke zu erwarten.

Die partei Marx wird mit allen denjenigen zusammenarbeiten, die sich nicht mit den im Aufbruch begriffenen neuen anti-“westlichen“ Weltmächten aus der früheren „Dritten Welt“ einschließlich Rußlands, Chinas und der Islamisten verschiedenster Couleur gegen die us-amerikanische Weltmacht verbündet haben oder in deren Interesse politisch agieren. Die bisher mit der westdeutschen Rest-Linken geführten theoretischen Debatten sollten unter dieser politischen Voraussetzung fortgesetzt werden. Dabei wäre die alte Unterscheidung der Widersprüche im Volk und der Widersprüche zwischen uns und dem Feind neu zu definieren.

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Die unscharfe Relation Marx/‚Marxismus’ – Reflexionen über Revolution und Konterrevolution in Deutschland (Ulrich Knaudt) »

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Inhalt

1. ‚Partei Marx’ und ‚Marxismus’

Sollte das Lesen Marxscher Texte als Gegen-Geisterbeschwörung à la Derrida oder eher als ‚neue Marx-Lektüre’ betrieben werden? Letztere machte, sehen wir von Derridas Marx-Okkultismus einmal ab, nur Sinn, wenn sich diese Lektüre nicht, wie so häufig, auf die Exegese der ersten Drei Kapitel des Ersten Bandes des Kapital beschränkte, sondern dabei ebenso der Erfahrungsschatz der ‚Partei Marx’, der in den über 40 Blauen Bände vergraben liegt, für den politischen Klassenkampf der heutigen Arbeiterklassen reaktiviert würde. Und sollten die „zwei Schritte zurück zu Marx“ nicht vor allem, wie der Vorschlag der partei Marx lautete, dazu führen, „die entscheidenden politischen Kontroversen, die an den Wendepunkten der Klassenkämpfe seit dem Manifest der Kommunistischen Partei aufgetreten sind, näher zu bestimmen und zu analysieren“?

Die politische Rückbesinnung auf die Geschichte der Klassenkämpfe der verflossenen mehr als 150 Jahre würde im übrigen dazu beitragen, den (vollständig berechtigten) Frust, aus dem die Mehrzahl der deutschen Arbeiter, ähnlich wie die meisten ihrer Klassengenossen z.B. in Italien, eher einer bürgerlichen Partei denn einer bürgerlichen Arbeiterpartei oder der ‚marxistischen’ Linken ihre Wählerstimme geben, in eine Reflexion über die Lage der eigenen Klasse in der modernen bürgerlichen Gesellschaft zu verwandeln. Am Anfang wäre die Frage an die Geschichte zu stellen, warum der Kommunismus, wenn die proletarischen Revolutionen nicht von ihren Feinden im eigenen Blut erstickt wurden, regelmäßig in eine konterrevolutionäre Farce seiner selbst umgeschlagen ist?

2. ‚Partei Marx’, ‚Marxismus’ und ‚nationale Frage’

Ein wichtiges Indiz für die üblichen Distanzierungsversuche des ‚Marxismus’ von der ‚Partei Marx’ besteht in dessen Umgang mit der sog. ‚nationalen Frage‘, an der der proletarische Internationalismus mit derselben Regelmäßigkeit immer wieder gescheitert ist. Die heutigen bürgerlichen Staaten der alten kapitalistischen Welt, haben sich in einem komplizierten historischen Prozeß als Nationen konstituiert, in denen es zu der Zeit von Marx und Engels von nationalen Minderheiten nur so wimmelte. Dieses historische Erbe meldete sich nach dem Zerfall der Sowjetunion, die aus einem zusammengeraubten ‚Vielvölkerstaat’ des russischen Zarentums hervorgegangen war und nach dem Sieg der Anti-Hitler-Koalition über das faschistische Deutschland zeitweise ein europäisches Slawenreich unter seiner neuen moskowitischen Knute eingesammelt hatte, mit voller Macht wieder zurück. Dort hatte das von Lenin gegenüber dem Zarenreich eingeklagte und den Völkern der Sowjetunion formell zugestandene ‚Selbstbestimmungsrecht der Nationen’ schon lange nur noch auf dem Papier existiert. Anstelle der Diktatur des Proletariats herrschte der (Bürger-)Krieg des Staates gegen die Gesellschaft in Permanenz, der nach der Auflösung der Sowjetunion Ende der 80er Jahre in einen Völkerkrieg zwischen den Völkern und Nationen überging.

Die Anhänger Bakunins, Proudhons oder dieser oder jenen Variante des linken Kommunismus sind dagegen der Ansicht, daß die ‚nationale Frage‘ für proletarische Revolutionen noch nie eine Rolle gespielt habe bzw. spielen sollte. Durch ihre dieser gegenüber eingenommene politische Enthaltsamkeit geraten sie aber unversehens in den Einflußbereich von Groß- oder Hegemonialmächten, die die Konflikte der nationalen Minderheiten und unterdrückten Nationen ihrer Nachbarn schüren, um diese zu schwächen. Entgegen dieser Einschätzung hinsichtlich der Bedeutung der ‚nationalen Frage‘ waren Marx und Engels der Ansicht, daß die „Working Class its own Foreign Policy habe“. Den ‚reinen’ Kapitalismus, ohne Berücksichtigung der historischen Tatsache, daß sich dieser gewöhnlich in Staaten und Nationen organisiert, gibt es nur in der Phantasie des linken imperialistischen Kleinbürgertums.

W.I. Lenin hatte die „Foreign Policy“ der ‚Partei Marx’ ausführlich studiert. Nur war ihm dabei zunächst nicht aufgefallen, daß ‚Marxisten’ wie Rosa Luxemburg bereits einen wichtigen Kernbestandteil jener „Foreign Policy“ nachträglich eliminiert hatten: nämlich Rußlands Rolle als Bollwerk der europäischen Reaktion bei der Verhinderung der europäischen Revolutionen, sowohl, was die Nationenbildungsprozesse der europäischen Bourgeoisien als auch, was den politischen Klassenkampf des Proletariats gegen dieselben betraf. Für Lenin war das Zarentum als Bollwerk der Reaktion in seiner Wirkung nicht so sehr nach außen denn nach innen gerichtet; diese Wirkung werde, wie er annahm, mit dem Sieg der proletarischen Revolution verschwinden und damit auch der von der ‚Partei Marx’ bekämpfte negative Einfluß Rußlands und der russischen Geheim-Diplomatie auf die Weltrevolution. Die Lösung der ‚nationalen Frage‘ in dem in seinem Niedergang sich befindenden moskowitischen Weltreich, das er in dieser Hinsicht als einen eigenständigen politischen Kosmos betrachtete, reduzierte sich für Lenin in erster Linie darauf, das friedliche Zusammenleben der Nationen innerhalb des Zarenreiches zu garantieren und demokratisch zu organisieren, hauptsächlich aus dem Wunsch heraus zu verhindern, daß der proletarische Internationalismus nicht beschädigt werde. Diese Problematik trat unmittelbar vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs in den Vordergrund und veranlaßte Lenin, den „prächtigen Georgier“ (Stalin) mit der Ausarbeitung einer theoretischen Arbeit über die ‚nationale Frage‘ zu beauftragen, um dem nach beider Ansicht schädlichen und unter den Austro-Marxisten heiß diskutierten Konzept der ‚national-kulturellen Autonomie’, das von diesen auf den Habsburgischen Vielvölkerstaat Anwendung finden sollte, den Garaus zu machen.

Der Unterschied zwischen Lenins und Stalins Analyse der ‚nationalen Frage‘ wäre etwa so zu formulieren: Stalin macht aus jener Not, die Lenin damit hat, daß die Unterdrückung der vom Zarentum eingesammelten Nationen mit dem proletarischen Internationalismus innerhalb der großrussischen Imperiums nicht zu vereinbaren sei, eine Tugend; denn während Lenin das proletarische Klassenbewußtsein der großrussischen Unterdrückernation und der Arbeiter der unterdrückten Nationen durch den staatlichen Unitarismus der zaristischen Bourgeoisie und durch die von ihr ausgeübte nationale Unterdrückung in Gefahr sieht und, um einer Infektion des Proletariats der unterdrückten Nationen durch den kleinbürgerlichen Nationalismus vorzubeugen, diesen Nationen das ‚Recht auf Lostrennung’ zubilligt, verteidigt Stalin eben jenen Unitarismus als Hauptargument gegen die mit der ‚national-kulturellen Autonomie’ zwangsläufig einhergehenden und für das großrussische Imperium unbedingt zu vermeidenden Auflösungserscheinungen des großrussischen Vielvölkerstaates. Hilfsweise erkennt er zwar das von Lenin den unterdrückten Nationen eingeräumte ‚Recht auf Lostrennung’ an. Dieses bleibt aber in seinem Aufsatz als gutgemeinte, aber leere Propagandalosung abstrakt im Raum stehen.

3. Vom linken Sozialimperialismus zum neuen Zarentum

Daß Stalin von der Leninschen Dialektik, mit der jener die ‚nationale Frage‘ analysierte, von Anfang an nicht sehr viel gehalten hat, dokumentiert er 20 Jahre später in seiner Kritik an Friedrich Engels’ Aufsatz Die auswärtige Politik des russischen Zarentums, der anläßlich des 20. Jahrestages des Ausbruchs des Ersten Weltkriegs im theoretischen Organ der Kommunistischen Partei der Sowjetunion, dem Bolschewik, abgedruckt werden sollte. Bekanntlich stellt die Kontroverse über die ‚Vaterlandsverteidigung’, mit der die Parteien der 2. Internationale 1914 die Bewilligung der Kriegskredite zur ‚Verteidigung’ der ‚Nation’ befürwortet und sich dadurch von dem geheiligten Prinzip des proletarischen Internationalismus verabschiedet hatten, die entscheidende Trennungslinie zwischen Sozialdemokraten und Bolschewiki dar.

Auf der anderen Seite hatte Lenin während des Ersten Weltkriegs mit der europäischen Partei-Linken nicht weniger harte Kämpfe darüber auszufechten, daß die Ablehnung der ‚Vaterlandsverteidigung‘ kein für alle Ewigkeit bestehendes einzigartiges Prinzip sei, sondern daß dieses in konkret zu bestimmenden Fällen durchaus Ausnahmen zulasse. Eine solche Ausnahmesituation hätte nach Friedrich Engels (und Lenins in seinen Briefen im Schweizer Exil an Inès Armand) z.B. Ende der 80er Jahre im Bismarck-Reich bestanden, falls der russische Zar Alexander III. gemeinsam mit dem französischen Boulangismus einen Krieg gegen Deutschland geführt und dadurch nicht nur der Zukunft Deutschlands, sondern auch der Arbeiterpartei in Deutschland ein Ende bereitet hätten. In einer solchen Situation, so Engels, hätte die deutsche Arbeiterklasse mit demselben Recht den preußisch-deutschen Staat gegen den Zangenangriff zweier nach Weltherrschaft strebender europäischer Großmächte verteidigen müssen, wie das revolutionäre Frankreich sich 1792 gegen die reaktionären Koalitionsmächte verteidigt hatte, im Zweifelsfall verbunden mit dem Sturz des vorhersehbar defätistischen preußischen Regimes und der Errichtung einer Republik, die den nationalen Verteidigungskrieg hätte zu Ende führen müssen.

In seiner Kritik an Engels’ Aufsatz nimmt Stalin eine ähnliche Position ein, wie die Partei-Linke zwischen 1914 und 1918 gegenüber Lenins angeblicher Vaterlandsverteidigung in möglichen nationalen Kriegen bezogen hatte. Stalins Kritik an Engels’ angeblich übertriebener Darstellung der Intrigen, Verschwörungen etc. der russischen Geheimdiplomatie, bedeutet aber nichts anderes als die Reinwaschung des russischen Zarentums von seiner Weltherrschaftspolitik – von links. Mit solchen Verharmlosungsversuchen macht sich Stalin selbst zu einem großrussischen ‚Vaterlandsverteidiger’, womit er sich um keinen Deut von den sozialdemokratischen ‚Vaterlandsverteidigern’ vom September 1914 unterscheidet. Zugleich bezieht er an der Seite Bakunins, Proudhons und ihrer ‚marxistischen’ Nachfolger offen gegen die ‚Partei Marx’ Stellung, was für den weiteren Verlauf der Ereignisse bedeutet, daß er den Völkern der Sowjetunion die Möglichkeit versagt, sich gegen den drohenden Angriff des deutschen Faschismus, der 1934 absehbar war, mit revolutionären Mitteln, wie sie Engels 1890 gegen Rußland und Frankreich angekündigt hatte, zu verteidigen. Statt dessen paktiert er 1939 angeblich aus taktischen Gründen mit der faschistischen Reaktion und verwandelt den antifaschistischen Widerstand in einen Eroberungskrieg des neuen Zarentums gegen die Völker der Sowjetunion und Osteuropas, die er der Früchte ihres Sieges über den Faschismus beraubt. Aus dem linken Dogmatiker ist in der Leninschen Definition ein echter großrussischer Dershimorda geworden.

4. Revolution und Konterrevolution in Deutschland

Nach Marx habe die „Working Class“ nicht nur „its own Foreign Policy“, sondern auch ihre eigene „politische Ökonomie“. Diese Überlegung wird in einem Aufsatz von Friedrich Engels aus dem Jahre 1850, auf den sich Marx in einer Fußnote im Achten Kapitel des Ersten Bandes des Kapital bezieht und der seinen Ausführungen über den Kampf für den 10-Stunden-Tag dem ersten Anschein nach zu widersprechen scheint, ausführlich erläutert. Darin geht es um die Dialektik von Reform und Revolution bei der Durchsetzung der „politischen Ökonomie der Arbeiterklasse“ analog zur Durchsetzung der „Foreign Policy“ der „Working Class“. Auch diese Dialektik wird von der reformistischen Linken ebenso wie von linken Reformisten mit Füßen getreten.

Friedrich Engels unterscheidet in seinem Aufsatz, der sich mit der Geschichte der Einführung der sog. 10-Stunden-Bill in England beschäftigt, zwischen einem ‚systemkonformen’ und einem revolutionären Reformismus, wobei er letzteren in der Chartisten-Bewegung der 30er und 40er Jahre des 19. Jahrhunderts ausmacht. Den Chartisten war es nicht gelungen, die politische Ökonomie der Arbeiterklasse“ gegen die Bittgänge rückwärtsgewandter Reformisten für die Einführung des 10-Stunden-Tags, die hauptsächlich an die Adresse des Adels, der Finanzbourgeoisie und der Grundherrenklasse gerichtet waren, durchzusetzen. Dazu hätte die englische Arbeiterklasse ein zeitweiliges Bündnis mit der industriellen Bourgeoisie gegen die reaktionäre Finanz-Bourgeoisie und den Adel eingehen und zugleich einen aktiven Kampf um die Verteidigung des 10-Stunden-Tages gegen den bisherigen Bündnispartner bis zum Heranreifen der sozialen Revolution führen müssen, die dieses Bündnis beendet hätte.

Diese Dialektik von Reform und Revolution wirft ein bezeichnendes Licht auf die aktuelle Situation in Deutschland, wo die aus der alten DDR-Nomenklatura hervorgegangene ‚neue Bourgeoisie’ sich nicht nur den Geist des bußfertigen Reformismus der einstigen 10-Stunden-Bill-Bewegung wählerwirksam zu eigen macht, sondern zugleich in die Rolle geschlüpft ist, die Friedrich Engels in seinem Aufsatz die alte reaktionäre englische Bourgeoisie einnehmen läßt. Entsprechend reaktionär wird sich auch der in der Programmatik der ‚neuen Bourgeoisie’ entwickelte Stamokap ausnehmen.

Das wirklich Neue daran wäre, daß durch diese Form der bürgerlichen Klassenherrschaft die ganze Gesellschaft zunehmend in ein nach modernsten Gesichtspunkten organisiertes und verwaltetes großes Arbeitshaus verwandelt wird, vor dem Vermögensbesitzer, Akademiker und technische Intelligenz in wachsendem Maße Reißaus nehmen. Diese Kehrseite wird von der heutigen Linken mit den in ihrem Schlepptau befindlichen ‚sozialen Bewegungen’ nicht nur ignoriert, sondern durch ihre Forderung nach Umwandlung des ‚neoliberalen’ Kapitalismus in ein staatsmonopolistisches Arbeitshaus mit sozialistischem Anstrich in ihrer reaktionären Tendenz aufs äußerste bestärkt und, um es freundlich auszudrücken, als erster Schritt in den Sozialismus zutiefst mißverstanden.

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Reaktionen (2000) »

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Die an dieser Stelle wiedergegebenen feedbacks zum Projekt Partei Marx haben im Augenblick nur archivalischen Wert, da die eingangs geäußerte Faszination an demselben, bis auf die nachstehend dokumentierten Ausnahmen, fast auf Null gesunken ist.

Daher verweisen wir auf die REFLEXIONEN, KRITIK und DEBATTE, worin wir uns mit unseren Kritikern und Autoren kritisch auseinandersetzen, die zu der Thematik, mit der wir uns zu beschäftigen haben, in, wie wir meinen, besonderer Weise hervorgetreten sind.

Zu Dokumentationszwecken wurden einige Briefe aus der Zeit vor 2001 aufgenommen.

In der letzten Zeit (seit dem Frühjahr 2007) haben die REAKTIONEN den einseitigen Charakter einer Art ‚Flaschenpost’ angenommen, die, so ist zu hoffen, wieder einem regeren Meinungsaustausch Platz machen wird.

[Korrekturen sinnentstellender Fehler sowie Kürzungen werden in eckige Klammern gesetzt und folgen der klassischen Deutschen Rechtschreibung.]

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An Django (25.04.2000):

Herzlichen Dank für die ausführliche Literaturliste mit den dazugehörigen Bezugsquellen. Das Buch, über das wir neulich sprachen, habe ich noch antiquarisch für einen entsprechenden Preis erwerben können.[1] […] Außerdem ist in der aktuellen Nummer von Lettre International (Heft 48) 1/2000 ein Aufsatz zum selben Thema erschienen. Slavoy Žižek: Selbstmord der Partei. Stalinismus – Zur Logik einer pervertierten Revolution. Der Aufsatz ist politisch nicht ergiebig, weil darin sehr stark tiefenpsychologisch argumentiert wird; er enthält aber die neueste historische Literatur zu diesem Thema.

Die Eigenarten der menschewistischen bis sozialdemokratischen Stalinismuskritik (incl. Claussens Einleitung) einmal beiseite gelassen, fasziniert mich an dem Brief eines alten Bolschewiken, daß der Kirow-Mord nicht nur als gezielter Auslöser für die nachfolgenden „Säuberungen“ sichtbar wird (dies die durchgängige Darstellung), sondern daß das ZK durch die Lancierung Kirows ins Politbüro Stalin so weit in die Enge getrieben hatte, daß er seine weitere politische Karriere nur noch durch die Inszenierung eines Staatsstreichs retten konnte.

Nach der Liquidierung der linken (Sinowjew, Trotzki) und Kaltstellung der rechten ‚Leninisten’ (Bucharin) mußte sich Stalin 1934 offensichtlich mit den stalinistischen ‚Leninisten’ auseinandersetzen, die ihn bis dahin als Speerspitze gegen die rechten und linken ‚Leninisten’ glaubten verwenden und kontrollieren zu können (womit ich nicht sagen will, daß sie die besseren ‚Leninisten’ gewesen wären). Ihre Galionsfigur Kirow – das wird aus dem Dokument ziemlich klar – scheint ja immerhin versucht zu haben, die Partei an einigen längst über Bord geworfenen Prinzipien Leninscher Politik neu zu orientieren. Seinem Eintritt ins Politbüro wären weitere Schritte des ZK gegen Stalin gefolgt. Daher durfte Kirow seinen neuen Posten erst gar nicht antreten. Der Rest der Geschichte geht bekanntlich nach der Melodie Zehn kleine Negerlein

Wenn dieses Dokument echt ist, bzw. die darin dargestellten Zusammenhänge nicht reine Erfindung sind, dann handelt es sich bei Stalins Machtergreifung um einen konterrevolutionären Staatsstreich, durch den er sich zum national-bolschewistischen Zaren aller Reußen an die Spitze der SU katapultieren wollte und sollte. Diese Schlußfolgerung klingt zwar nicht besonders originell, sie ist aber nie, nicht einmal von den Trotzkisten, geschweige denn den Maoisten, bis zu der Konsequenz gezogen worden, daß dieser durch Stalins Staatsstreich etablierte neue Zarismus nicht nur das Ende der Leninschen Weltrevolution, sondern auch des internationalen Proletariats, als zu jener Zeit [noch] revolutionären Klasse, bedeuten mußte und jede revolutionäre Bewegung automatisch für großrussische Weltmachtinteressen instrumentalisiert wurde. Die aktuelle Bedeutung dieser Einschätzung für das gegenwärtige roll-back, das die verschiedenen kommunistischen bis sozialistischen Gruppen [gegenwärtig] versuchen, liegt auf der Hand… Dazu näheres ein andermal.

Dabei möchte ich vermuten, daß Du hinsichtlich meiner zuletzt angestellten Schlußfolgerungen ganz anderer Ansicht bist. Übrigens, in der UZ vom 24.03. wird ein Kongreß in Berlin Jahrhundertbilanz des Kommunismus für Ende Mai angekündigt. Vielleicht ganz interessant… Das war’s erst einmal.

Mit freundlichen Grüßen

Ernst-Ulrich

1) Boris Nikolajewski: Brief eines alten Bolschewiken. Mit einem Essay von Detlef Claussen, Frankfurt 1992.


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partei Marx

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Von der ‚Partei Marx’ zur internationalen Assoziation
(Vortrag vor der Sozialistischen Studiengemeinschaft in Frankfurt am 10.07.2002)

von Ernst-Ulrich Knaudt

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Determinismus zum ersten, zweiten, dritten und vierten mit Epilog: Marx als Gott oder was?

von Django Schins

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Zur Kritik* am Projekt Partei Marx (Gegen-Sätze und Anti-Thesen) »

*) Zu Django Schins: Determinismus zum ersten, zweiten, dritten und vierten… Version 01 (23.03.2004) Django.Schins@comlink.org und parteimarx.org: Kritik 1 Anhang 1.

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Gegen die angebliche Antiquiertheit des Kommunismus

Die Ideologen der „sozialen Bewegungen” ‚gegen den Kapitalismus’ (d.h. gegen das, was sie sich unter Kapitalismus vorstellen) erklären den Kommunismus zu einer antiquierten Angelegenheit, weil das Kapital die Produktivkräfte in einem derartig gewaltigen Umfang entwickelt, daß sich der Kommunismus von selbst erledigt habe und ein halber, nämlich ‚demokratischer’ (früher: ‚realer’) Sozialismus an seiner Statt es auch tut, um mit dem ‚Kapitalismus’ fertigzuwerden. Geht man davon aus, macht es wenig Sinn, ‚Demokratische Sozialisten’ noch von der Aktualität des Manifests der Kommunistischen Partei und der revolutionären Strategie der ‚partei Marx’ überzeugen zu wollen, denen sie bestenfalls eine historische Bedeutung als Forschungsgegenstand linker Historiker und Sozialwissenschaftler zubilligen würden. Über diesen Kommunismus sei ihrer Ansicht nach die Zeit längst hinweggegangen.

Wie soll man sich das auch vorstellen, daß die Köchin neben dem Kochlöffel den Staat in die eigenen Hände nimmt, ohne nicht zuvor vom ZK zum Küchenchef ernannt worden zu sein? Dagegen spricht tatsächlich, daß die Diktatur des Proletariats in Rußland gleich mit ihrem ersten Schritt auf dem Weg zum Kommunismus, über das eigene Unvermögen gestolpert ist, gleichzeitig damit den Staat zu dezimieren (was nicht heißt, wie die Anarchisten meinen, ihn sofort abschaffen zu können).

Deshalb haben die Ideologen der „sozialen Bewegungen” ‚gegen den Kapitalismus’ diesen bereits im Ansatz gescheiterten ersten ernstgemeinten Schritt hin zum Kommunismus in kalkulierter Halbherzigkeit gedanklich ganz einfach halbiert und gestützt auf die Sozial-Wissenschaften den Sozial-Staat, die Sozial-Politik und weitere mit dem Wörtchen Sozial- zusammengesetzte Institutionen zur Anti-These zum ‚bestehenden kapitalistischen System’ erklärt und damit einen Typus der sozialen Revolution in die Welt gesetzt, die sich mit ihrer Entfaltung ständig selbst dementiert: die soziale Revolution als Gegen-Revolution in sich selbst und in Permanenz. Dagegen ist kein kommunistisches Kraut gewachsen, das sich nicht permanent Gefahr aussetzt, in die ‚Antikommunismus’-Falle zu geraten.

Das klingt nach Denunziation. Aber was kann eine soziale Revolution ernsthaft denunzieren, die sich durch eine in sie eingebaute Gegen-Revolution ständig selbst denunziert? Eigentlich nur die Tatsache, daß diese Selbstdenunziation des Kommunismus den Marxschen Kommunismus in Permanenz denunziert. Da aber zu einer solchen Einsicht eine gehörige Portion Selbstkritik nötig ist, reden Kommunisten und ‚Demokratische Sozialisten’ ständig aneinander vorbei und laufen Gefahr, wie die Sektenbrüder ihre Fäuste oder noch weit härtere Argumente sprechen zu lassen.

Wie entkommen aus diesem Dilemma?

Fest steht: eine halbe soziale Revolution hat weitaus katastrophalere Folgen als gar keine, weil sie ihre Betreiber ständig in dem Glauben wiegt, es bedürfe nur noch des fehlenden zweiten halben Schritts, um sie zu vollenden. Dabei halbieren sich aber nur ständig deren Erwartungen und statt dem Sozialismus nähern sie sich unter freiwilliger Mitarbeit mit den staatlichen Behörden einem Regime an, das jede Lebensregung seiner ‚Bürger’ subtiler kontrolliert und überwacht als je zuvor, einer Gesellschaft, worin sich alles andere als an diesem kooperativen Sozialismus – welch ein Widerspruch in sich! – mitzuwirken, von Staats wegen selbst verbietet.

Worüber reden wir dann?

Es wäre zum Beispiel nützlich, sich nicht nur historisch sondern höchst aktuell über den fortwirkenden Einfluß des Erfinders der institutionellen Konterrevolution (d.h. der durch Stalins Geheimdienste in der Revolution institutionalisierten Konterrevolution) Gedanken zu machen, und zwar nicht nur darüber, wie viele sinnlose Menschenopfer der ‚Stalinismus’ auf dem Kerbholz hat (denen nun reumütig Gedenksteine, die aber, so wie das geschieht, zwangsläufig Grabsteine für die Oktoberrevolution sind, gesetzt werden), sondern auf welche Weise seine geniale Erfindung heute bei den Ideologen der „sozialen Bewegungen” fortwirkt, vor allem in ihrer ‚Politik’ und dem, was an anderer Stelle als politischer Ökonomismus bezeichnet wurde. [Reflexionen: Uwe-Jens Heuer, Marxismus und Politik.]

Dieser politische Ökonomismus ist aber nicht nur, wie bisher angenommen, eine ‚Politik’ zur Verhinderung des proletarischen Klassenkampfes (einmal offengelassen, was im hochindustrialisierten Europa und in den USA heute darunter zu verstehen ist), sondern er erweist sich zunehmend als Methode der ‚Revolutionierung’ der Gesellschaft durch eine halbe Revolution in Permanenz, eine institutionelle Konterrevolution, die es unmöglich macht, zwischen Proletariat und Bourgeoisie einen klaren Trennungsstrich zu ziehen.

Das ist die Lage.

Die Bourgeoisie ist bis zur äußersten Grenze des für das Kapitalverhältnis noch Erträglichen ‚flexibel’ geworden und kann dennoch nicht verhindern, daß die dadurch bedingten ökonomischen Krisen ihre ‚Flexibilität’ ständig bis zum äußersten auf die Probe stellen; das ‚westliche’ Proletariat versinkt mit seinen Institutionen, die einstmals dem Klassenkampf dienen sollten, immer tiefer im Sumpf der allgemeinen und individuellen Korruption, die es faktisch bewegungslos machen, ein Zustand, der durch die „sozialen (Schein-)Bewegungen” noch verstärkt wird; die bürgerliche Kulturproduktion, die nur durch die Produktivkraft, die eigentlich in der revolutionären Klasse selbst besteht, und daher nur als Antithese zur bürgerlichen Gesellschaft überleben kann, überzeichnet, um nicht zur Karikatur ihrer selbst zu werden, jeden sich ihr darbietenden gesellschaftlichen Widerspruch und alle ihm zugrunde liegenden Fakten bis zur Unkenntlichkeit und inszeniert dabei, weil nur mit Surrogaten des Klassenkampfs beliefert – anderes war nicht verfügbar –, vor den gelangweilten Zuschauern die eigene Überflüssigkeit bis zur Penetranz. Verglichen damit bringen die bürgerlichen Regierungen auf der Bühne der Öffentlichen Meinung die sehr viel spannenderen Selbstinszenierungen, die das originellste Regietheater nicht liefern könnte, zustande: ihre Hauptbeschäftigung besteht in der Bearbeitung von Problemen, die sie nicht lösen können, weil sie sie nicht lösen wollen (und umgekehrt) und die, in bürgerliches Recht und völkerrechtliche Verträge gegossen, auf die lange Bank geschoben werden, wirtschaftliche und politische Katastrophen eingeschlossen. Zum festen Bestandteil dieses Illusionstheaters gehört auch der politische Ökonomismus der Linken, der mit seinen Gegen-Inszenierungen von politischen und Klassenkampf-Spektakeln vorführt, auf welche Weise den Widersprüchen dieser Gesellschaft möglichst nicht auf den Grund zu gehen ist und wie ernsthafte Konflikte als Doppelpack in die rosa Watte des linken Konformismus einhüllt werden können.

Antifaschismus ist gesellschaftlicher Konsens und wird als des Kaisers neue Kleiderordnung vom Kindergarten aufwärts staatlich verordnet. Nicht ‚politisch korrekt’ ist hingegen der Hinweis, daß dieser Konsens eigentlich auf demselben Schema aufbaut und ebenso funktioniert wie die institutionelle Konterrevolution Stalinscher Herkunft. Wie gut für den Antifaschismus, daß es nur die faschistische Konkurrenz ‚auf der Rechten’ ist, die solche eigentlich notwendigen Hinweise auf ihren ureignen ‚nationalen’ Begriff bringt, während die echt proletarischen underdog-Prügelgarden drüben am Horizont schon darauf warten, die Wahrheit – von den Ideologen der ‚Rechten’ durch die Mangel gedreht – wieder ins rechte Lot zu bringen!

Eine scheinbar auswegslose Situation, mit der aber wie es scheint beide Seiten prächtig leben können.

Daran gemessen muß die von den Ideologen der „sozialen Bewegungen” gestellte Frage nach der Antiquiertheit des Kommunismus anders gestellt werden als bisher von ihnen suggeriert worden ist.

Anti-Thesen zur Kritik am Projekt partei Marx

Antithesen überschreiten („transzendieren”) wie alle einfachen Negationen nicht das Terrain bisher angenommener linker Gemeinsamkeiten; dieses ist aber mit den Jahren zunehmend zusammengeschrumpft und wird wohl noch weiter zusammenschrumpfen, je abschüssiger der Pfad wird, auf dem die deutsche Linke und ihre Kritiker sich noch gemeinsam bewegen und der zunehmend von solchen falschen Alternativen gesäumt ist wie: hie Reformismus da Kommunismus, hie Sozialdemokratismus da Linker Sozialimperialismus, hie Demokratischer Sozialismus da Stalinismus u.a.m. (‚Wo sich die Elefanten bekämpfen, da leidet das Gras’.) Ob das Ringen um solche Scheinalternativen bereits Ausdruck für die letzten Kämpfe der Linken auf dem Weg zum Elefantenfriedhof der Geschichte ist oder ob es sich um Vorboten wirk-licher Klassenkämpfe oder eines neuen Faschismus handelt, läßt sich durch die einfache Negation nicht entscheiden.

In der Kritik am Projekt partei Marx wird moniert, daß in den unter diesem Namen auf der Web Site gleichen Namens erschienen Texten und in den Antworten auf die Briefe an selbige Adresse eine völlig abstrakte Kommunismus-Vorstellung Verwendung finde, in der religiöse Jenseits-Erwartungen und anderer idealistischer Mummenschanz einander abwechseln. Der Kritiker hat recht: Wer heute von Kommunismus redet, sollte hinzufügen, welcher Kommunismus damit gemeint ist: der Kommunismus, wie er von Marx und Engels im Manifest der Kommunistischen Partei zum ersten Mal als Programm der ‚partei Marx’ gegenüber dem modernen Kapitalismus formuliert und im Kapital »praktisch kritisch« wissenschaftlich fundiert worden ist oder der konterrevolutionäre Kommunismus, wie er nach der Implosion des ‚Realen Sozialismus’ heute noch von einigen ‚sozialistischen’ Staaten, die im Konkurrenzkampf um dasselbe das Weltmachtmonopol der USA politisch und militärisch infrage stellen, als eine ‚kommunistisch’ verkleidete ‚Orientalische Despotie’ in Ländern der ehemaligen ‚Dritten Welt’ praktiziert wird.

Solange der Kommunismus nicht vom konterrevolutionären Kommunismus zu unterscheiden ist, ähnelt er – auch darin hat der Kritiker recht – eher einer ans Religiöse grenzenden Erlösungsphilosophie, wie sie noch von einigen verbliebenen kommunistischen Arbeitersekten gepflegt wird, als seinem Marxschen Original. Seine Kritik am abstrakten Kommunismus bleibt aber um nichts weniger abstrakt, solange die oben genannte elementare Unterscheidung nicht vorgenommen worden ist, was u.a. dazu führt, daß der abstrakte Kommunismus dem ‚orientalisch-despotischen’ Sozialismus als revolutionäres Label zur Täuschung seiner Anhänger und der revolutionären Völker zur Verfügung gestellt wird. Es ließe sich dann höchstens noch darüber streiten, welche der beiden Abstraktionen die politisch weniger schädliche ist: die eine, die auf einen idealistischen Kommunismus-Begriff, wie er bei politisch bedeutungslosen Arbeitersekten Verwendung findet, hinausläuft und die andere, die dem konterrevolutionären Kommunismus dazu verhilft, seine ‚Orientalische Despotie’ als ‚Diktatur des Proletariats’ zu verkaufen. Wer vor diese Scheinalternative gestellt wird, würde wahrscheinlich den Idealismus der Konterrevolution vorziehen, so wie er den bürgerlichen ‚Rechtsstaat’ dem offenen Faschismus oder einem an dessen Stelle tretenden konterrevolutionären Kommunismus vorziehen müßte.

Eine solche Scheinalternative ist allerdings ziemlich perspektivlos, weil sie im Zweifelsfall immer nur darauf hinausläuft, die schlechte Realität gegen eine noch schlechtere zu verteidigen, mit der die Bourgeoisie, ob sie als alte oder neue Bourgeoisie auftritt und ihr Konkurrenzverhältnis durchaus auch einmal ‚sozialistisch’ tarnen kann, in jedem Fall auf Kosten der Völker und Nationen gut zurechtkommt. Das lehren uns die revolutionären Kämpfe des vergangenen Jahrhunderts in ausreichendem Maße. Solange der Kommunismus in solchen Scheinalternativen be- und gefangen bleibt, wird sich daran auch in Zukunft nichts ändern.

Die Bourgeoisie hat all die Halbheiten und Inkonsequenzen, die sich die Arbeiterbewegung geleistet hat, bisher gnadenlos ausgenutzt und als Errungenschaften der bürgerlichen Gesellschaft auf ihr Panier geschrieben. Ihr gegenüber einfach nur den revolutionären Kommunismus einzuklagen, wäre in der Tat nur ein Akt der Hilflosigkeit. Das beginnt mit Lassalle, gegen den sich Marx und Engels bei aller gebotenen Diplomatie gegenüber dem einflußreichen Arbeiterführer einer bis dato in Deutschland kaum existierenden Arbeiterbewegung, mit vehementer Kritik gegen die Verballhornung ihres kommunistischen Programms, als dessen Parteigänger dieser unter den Arbeitern firmierte, zur Wehr gesetzt haben und endet vorläufig bei Stalin und dessen gelehrigen Schülern und halbherzigen Kritikern, die dem Kommunismus auf eine Weise geschadet haben, wie es sich die Bourgeoisie selbst in ihren kühnsten Träumen als konterrevolutionäre Strategie nicht hätte einfallen lassen können.

Kommunismus nennt sich auch, was, nach der Zerschlagung der Leninschen Bolschewiki und der Großen Proletarischen Kulturrevolution (einer letzten Verzweiflungstat der chinesischen Bolschewiki) von politischen Gruppen und Parteien im Namen von Marx und Engels (Lenin, Stalin und Mao Tse-tung) als ‚Marxismus’, ‚Leninismus’, ‚Mao Tse-tung-Ideen’ etc. heute propagiert wird; der entscheidende Mangel dieses Kommunismus ist, daß es ihm nicht gelingt, sich vom konterrevolutionären Kommunismus grundsätzlich abzugrenzen und die antikommunistischen Stereotypen der Bourgeoisie, die zwischen Kommunismus und ‚Kommunismus’ bewußt keinen Unterschied machen, Lügen zu strafen. Nur so könnte der revolutionäre Kommunismus gesellschaftliche Wirksamkeit entfalten.

Nach seinem ökonomischen und politischen Bankrott Anfang der neunziger Jahre schien der konterrevolutionäre Kommunismus mit der Kapitulation des großrussischen Sozialimperialismus vor seinem Weltmachtkonkurrenten USA am ‚Ende der Geschichte’ angelangt zu sein. Inzwischen demonstrieren die alten und gegenwärtig neu entstehende Weltmächte (China, Indien), daß die kapitalistische Konkurrenz kein ‚Ende der Geschichte’ kennt, schon weil das Kapital seinem inneren Wesen entsprechend nie aufhören wird, von endemischen Wirtschaftskrisen erschüttert zu werden, während die Konkursverwalter des ‚Realen Sozialismus’ aus der Krise des westeuropäischen ‚Sozialstaats’ wieder neue Kraft gesaugt haben, um mit ihrem ‚marxistisch’ aufpolierten kleinbürgerlichen Antikapitalismus und einem ‚antiimperialistisch’ aufgemotzten Antiamerikanismus auf Stimmen- und Dummenfang zu gehen und das Urteil der Völker über den reaktionären Charakter und das mörderische Wesen des konterrevolutionären Kommunismus, das diese an Leib und Leben erfahren haben, zu revidieren.

Wenn die Kritik am Projekt partei Marx und dem darin angeblich zutage tretenden „Determinismus” auch eine Kritik an der Pervertierung des Kommunismus bis zu seinen noch heute praktizierten ‚orientalisch-despotischen’ Abarten beabsichtigt hätte, wäre diese berechtigt und unbedingt notwendig gewesen, da sich niemand von dessen nachhaltigen Einfluß auf Anhieb freisprechen kann. Da aber auch diese Kritik traditionell unter dem Manko einer nicht vollzogenen Abgrenzung zum konterrevolutionären Kommunismus leidet, bleibt ungewiß, ob nach Ansicht des Kritikers nicht jeder Kommunismus zwangsläufig zum konterrevolutionären Kommunismus degenerieren muß. Eine solche Zukunftsperspektive wäre aber kaum weniger „deterministisch”!

Der konterrevolutionäre Kommunismus wird jeden dogmatisch geführten und wie oft auch immer wiederholten Nachweis, daß und warum er mit dem Kommunismus der ‚partei Marx’ nicht kompatibel ist, mit Leichtigkeit verdauen, zumal die Parteigänger derselben keine Betriebsgeheimnisse zu hüten haben und sich auch nicht durch die Verkündigung ewiger ‚kommunistischer’ Wahrheiten als Erlöser der Menschheit kostümieren müssen. Auch konnten dem konterrevolutionären Kommunismus die historischen Tatsachen, worin seine menschenfeindliche Praxis und seine Feindschaft gegenüber dem revolutionären Proletariat in der Vergangenheit zum Ausdruck gekommen sind, bisher wenig anhaben, da seine Feindschaft gegen die alte Bourgeoisie (obwohl nur als Ausdruck der Konkurrenz im Kampf um die Weltherrschaft) und seine Beschützerrolle gegenüber den von dieser ‚sozial Benachteiligten’ (obwohl nur als Kampf um deren Wählerstimmen) jeden naiven Kritiker in die ‚Antikommunismus’-Falle laufen lassen wird. (Vom revolutionären Proletariat hat sich der konterrevolutionäre Kommunismus spätestens mit dem Aufstand der Stalinschen ‚Kader’ gegen Lenins Versuch, die Oktoberrevolution zur Strategie der ‚partei Marx’ zurückzusteuern, verabschiedet.) [Streitpunkt 2: Warum Lenins „letzter Kampf” gegen den linken Sozialimperialismus nicht zu gewinnen war.]

In diesem Sinne stellt sich bei den durch die Linke aktivierten „sozialen Bewegungen” die Frage, ob es sich dabei um wirk-liche (proletarische) oder symbolische (plebejische) Klassenkämpfe handelt; d.h. um den ewigen ‚Guerilla-Kampf’ der Produzenten des »objektiven Reichtums«[1] zur Verteidigung des Reallohns oder um den fiktiven Anspruch der daraus Ausgeschiedenen auf einen ‚gerechten’ Anteil am gesellschaftliche Mehrprodukt, das hauptsächlich aus dem (direkten und indirekten) Steueranteil am Reallohn der im Sinne des Kapitals produktiv Tätigen gespeist wird. Um diesen ‚Guerilla-Kampf’ zu „transzendieren”, müßte der proletarische Klassenkampf aber davon ausgehen, daß der »kapitalistische Produktionsprozeß… beständig den Arbeiter zum Verkauf seiner Arbeitskraft, um zu leben, (zwingt) und beständig den Kapitalisten zu ihrem Kauf, um sich zu bereichern (befähigt)« und daß es nicht irgendein »Zufall (ist), welcher Kapitalist und Arbeiter als Käufer und Verkäufer einander auf dem Warenmarkt gegenüberstellt«, sondern »die Zwickmühle des Prozesses selbst, die den einen stets als Verkäufer seiner Arbeitskraft auf den Warenmarkt zurückschleudert und sein eignes Produkt stets in das Kaufmittel des andren verwandelt«. Denn: »In der Tat gehört der Arbeiter dem Kapital, bevor er sich dem Kapitalisten verkauft« (603). Und dies auch dann, so wäre in aktuellem Zusammenhang hinzuzufügen, wenn seine Ketten, die ihn ans Kapital fesseln, noch so vergoldet und sein Status gegenüber der Masse der übrigen Proletarier auf der Welt auch noch so privilegiert seien mögen! Aber, um wieviel mehr gehört der Plebejer dann aber dem Staat, auf dessen Armenpflege spekulierend ihn das Kapital als Proletarier vor die Tür gesetzt und der Gesellschaft vor die Füße geworfen hat!

»Der kapitalistische Produktionsprozeß, im Zusammenhang betrachtet, oder als Reproduktionsprozeß, produziert also nicht nur Ware, nicht nur Mehrwert, er produziert und reproduziert das Kapitalverhältnis selbst, auf der einen Seite den Kapitalisten, auf der anderen Seite den Lohnarbeiter« (603). Während aber die an die Lohnarbeit und das Kapital gefesselten Produzenten durch den Klassenkampfdie Wiederaneignung der durch das Kapitalverhältnis entfremdeten Produktionsbedingungen in Verbindung mit der weltweiten Aufhebung der kapitalistischen Produktionsweise, sei es zunächst auch nur rein theoretisch, erreichen können, bleibt der Plebejer an den Staat gefesselt, von dem er allerhöchstens als potentieller Proletarier zu fordern hätte, daß ihm der »Wechsel seiner individuellen Lohnherrn« zwecks »Erneurung seines Selbstverkaufs« (603) an diese ermöglicht oder zumindest erleichtert werde, eine Forderung, die der Staat, der ihn seinerseits so schnell wie möglich wieder an das Kapital loswerden will, auch unaufgefordert erfüllen wird. (Die Kehrseite der Plebejer-Existenz, d.h. die Rolle, die das Lumpenproletariat in den bisherigen Klassenkämpfen gespielt hat, einmal beiseite gelassen).

Daher dient die Aufführung symbolischer Klassenkämpfe mit den modernen Plebejern als neuer ‚revolutionärer Klasse’ unter der Regie der alten Linken und der neuen Bourgeoisie ausschließlich dem Ziel, die gesellschaftlichen Hebel zur Kontrolle der materiellen Produktionsbedingungen des Kapitalismus im Namen des ‚Sozialismus’ (wieder) in Besitz zu nehmen. (Um diesen Punkt dreht sich der Streit zwischen Reformisten und ‚Kommunisten’ bei der bevorstehenden Gründung einer ‚demokratisch’ runderneuerten Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands.) Mit wirk-lichen Klassenkämpfen, in denen sich die gemeinsamen Interessen der von der Welt-Bourgeoisie mit unterschiedlicher Intensität ausgebeuteten und in verschiedenem Umfang unterdrückten Arbeiterklassen aller vom Kapitals heimgesuchten Nationen widerspiegeln, haben diese „sozialen” Selbstertüchtigungsübungen der Linken, worin sie, mit den wirk-lichen Massen als vor Staunen stummen Zuschauern, in ihrer ‚Selbstbewegung’ sich selbst in eine »multitude« verwandelnd, den Zusammenschluß mit den durch die Wirtschaftskrisen des Kapitalismus ‚sozial Benachteiligten’ sucht (mit dem sie aber nur ein weiteres Mal darum herumgekommen ist, sich vom konterrevolutionären Kommunismus loszueisen), wirklich nichts zu tun!

Das liegt zum einen daran, daß die von der westdeutschen Linken in früheren Zeiten betriebene Agitation der ‚westdeutschen Arbeiterklasse’ schon immer von einer extrem provinziellen Borniertheit geprägt war und zwar nicht nur gegenüber den Arbeiterklassen der anderen Nationen und den revolutionären Völkern, sondern auch in Bezug auf die ‚nationale Frage’ im eigenen Land, ein Manko, das sie seit ihrer Entdeckung der ‚Globalisierung’, wie schon so oft, wiederum durch ihre Flucht in ein entgegengesetztes Extrem auszugleichen sucht, zum andern liegt es auch daran, daß die gesamtdeutsche Linke inzwischen bei ihrem Versuch, sich mit den zu Plebejern abgestiegenen Facharbeitern oder den zu ‚Hartz-Vierern’ entproletarisierten einfachen Arbeitern gemein zu machen, an äußerst rückständige bis faschistoide Denkweisen appellieren muß, um diese für die neuen „sozialen Bewegungen” zu rekrutieren: vom Sozialneid bis zum Kampf gegen ausländische Konkurrenten um ‚unsere Arbeitsplätze’ ist da alles vertreten.

Dabei ist all das, was das Verhältnis der Lohnarbeit gegenüber dem Kapital im Marxschen Sinn charakterisiert, so restlos den Bach runter gegangen, daß sich die heutige Agitation der Linken kaum noch von der sozialen Demagogie der alten bürgerlichen Arbeiterparteien unterscheidet, um deren Wählermassen ein harter ‚Reform’-Sänger-Wettstreit entstanden ist. Was die eine im Kampf um neue plebejische Wählerstimmen und im Namen der ‚sozial Benachteiligten’ fordert, das verwirklicht die andere Partei, um ihre sozial etablierten Wähler bei der Stange und sich an der Macht zu halten, soweit es der Finanzhaushalt zuläßt, und dies alles auf Kosten der Gesellschaft und der noch lohn-arbeitenden Klasse. Auf diese Weise ist die ganze Gesellschaft, bei ihrem vergeblich erscheinenden Versuch, diesen neuen „sozialen Bewegungen” nicht auf den Leim zu gehen, in der ‚Antikommunismus’-Falle gefangen, während unsere vorgeblichen nationalen ‚Befreier’ mit entsprechenden Rezepten und ihren knüppelharten Argumenten auf ihre Stunde warten.

Angesichts dieses Dilemmas mag es unbillig erscheinen, von dem Kritiker des Projekts partei Marx Einsichten zu verlangen, denen sich die deutsche Linke seit Jahr und Tag verschließt und von ihm zu erwarten, über deren und den eigenen Schatten zu springen. Das wäre wahrscheinlich nur ein vergeblicher moralischer Appell.

Fazit: Ähnlich wie schon seit langem für die bürgerliche (sozialdemokratische, christliche etc.) Arbeiterbewegung spielt auch für die heute gegen die alte Bourgeoisie ‚antikapitalistisch’ opponierende Linke der Begriff des Proletariats nur noch eine historische Rolle. Es gehört zur besonderen Ironie ihrer Geschichte, daß sie bis zur Bankrotterklärung des ‚Realen Sozialismus’ Ende der 80er Jahre unentwegt damit beschäftigt gewesen war, die vom Weltmarktmonopol des deutschen Kapitals begünstigte ‚westdeutsche Arbeiterklasse’ von ihrer revolutionären Mission als Erretter der Menschheit überzeugen zu wollen, anstatt das zu tun, was sie eigentlich gekonnt hätte: die von der ‚Studentenbewegung’ seit dem 2. Juni 1967 in gang gesetzte Kulturrevolution ausgehend von der weltrevolutionären antiimperialistischen Bewegung der 60er und 70er Jahre in die Arbeiterklasse zu tragen, und zwar verbunden mit einer Selbstkritik in Permanenz an den Relikten der kleinbürgerlichen Herkunft der eigenen Bewegung und einer radikalen Kritik am Zustand und Verlauf der weltrevolutionären Entwicklung seit der Oktoberrevolution, wozu die wie Pilze aus dem Boden schießenden ‚maoistischen’ Sekten geeignet schienen, aber am allerwenigsten in der Lage waren. Anstatt also die tieferen Gründe für die eigene eklatante Unfähigkeit zu einer solchen Kritik und Selbstkritik genauer zu untersuchen, zog sich der größte Teil der ‚westdeutschen Linken’ in Gestalt aller möglicher ‚Randgruppen’-Bewegungen (zum Schutz der Frauen, Kinder, Tiere, des Klimas und der Natur überhaupt vor den Auswirkungen der kapitalistischen Produktionsweise) auf ihre kleinbürgerlich philanthropische Kerngestalt zurückbesonnen, um seither den Kapitalismus nur noch an seinen Phänomenen zu kurieren, wofür ihr die Bourgeoisie bisher zu großem Dank verpflichtet ist.

Der ‚westdeutschen Linken’ ist es daher nicht gelungen, ihren eigenen Möglichkeiten und Fähigkeiten entsprechend die ‚westdeutsche Arbeiterklasse’ sowohl historisch wie auch in ihrer Stellung zum Weltproletariat und zur Weltbourgeoisie in ein rationales Verhältnis zu bringen, um, ausgehend von seiner Internationalität und ihrer Weltmarktbezogenheit den Weg in den Sumpf der linken Kleinbürgerlichkeit zu bekämpfen und zu vermeiden, im linken Ethnizismus und linken Sozialimperialismus zu versumpfen.

Die deutsche Arbeiterklasse, gehört zweifellos, soweit sie von der Bourgeoisie für die Weltmarktproduktion, einschließlich des europäischen Export-Marktes, eingespannt wird, zu den privilegiertesten Abteilungen des Weltproletariats, aber dennoch weder der Bourgeoisie noch dem Kleinbürgertum an, obwohl viele seiner Charakterzüge kleinbürgerlichen Ursprungs sind und entsprechend von ihr ausgelebt werden. In ihrer jetzigen Gestalt wird sie, ähnlich wie auch das Proletariat der klassischen imperialistischen Länder des ‚alten Europa’ wahrscheinlich nicht an der Spitze des internationalen Proletariats, ohne das an Kommunismus nicht zu denken ist, marschieren.

Die Kritik an dem Projekt partei Marx krankt daher ebenfalls an einer zutiefst provinziellen Einschätzung der gesellschaftlichen Stellung der deutschen Arbeiterklasse, die, wenn dies auch bis zu einem gewissen Grad berechtigt erscheinen mag, faktisch dem Kleinbürgertum zugeschlagen und an ihrer Stelle ein neues revolutionäres Subjekt erfunden wird, das wegen seines plebejischen (bis lumpenproletarischen) Charakters von der alten Linken und der neuen Bourgeoisie politisch leichter zu handhaben ist. Die deutsche Arbeiterklasse, was immer von dieser momentan als Klasse erkennbar sein mag, wird lediglich als anonymes Wählerpotential gehandelt und über ihre Köpfe hinweg mit der Bourgeoisie verhandelt. Daß die deutschen Arbeiter sich in Verbindung mit ihrer revolutionären Intelligenz als internationale Klasse organisieren und selbst handlungsfähig werden könnte, daran haben alte Linke und neue Bourgeoisie grundsätzlich kein Interesse. Was sie statt dessen betreiben, ist wie gesagt der reine politische Ökonomismus und das ist weit entfernt vom politischen Klassenkampf wie ihn die ‚partei Marx’ bisher verstanden hat! [Reflexionen: Uwe-Jens Heuer, Marxismus und Politik.]

Was das im einzelnen und für die Zukunft bedeutet, wird in weiteren Untersuchungen zur Wiederaneignung ihrer Strategie zu klären sein.

 


[1] Karl Marx: Das Kapital I, MEW 23, 593. [Im folgenden Seitenangaben in Klammern.]

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Zur Kritik* am Projekt partei Marx (Zusammenfassung) »

*) Django Schins: Determinismus zum ersten, zweiten, dritten und vierten…
Version 01 (23.03.2004) Django.Schins@comlink.org und Kritik 1 Anhang 1 (Auf diese Textversion beziehen sich die Seitenangaben im Text).

Dieser Artikel ist auch als PDF-Datei verfügbar.

Vorbemerkung

Nachdem ich in der Vergangenheit mehrfach von Django Schins aufgefordert worden bin, seine detaillierte Kritik an dem Projekt partei Marx (siehe: Reaktionen An partei Marx) konkret zu beantworten, ist dies nun in Gestalt meiner überarbeiteten Exzerpte zu seinem Kritik-Papier [Kritik 1 Anhang 1] geschehen. Der folgende Text ist eine Zusammenfassung meiner ausführlichen Antwort auf seine Kritik, die als PDF-Datei vorliegt [Kritik 1 Zur Kritik am Projekt partei Marx].

Wenn sich auch gezeigt hat, daß wir dieses Projekt von völlig entgegengesetzten Ausgangspunkten aus beurteilen, sind die Bemühungen und der Mut des Kritikers auf jeden Fall zu begrüßen, sich damit in dieser Ausführlichkeit auseinandergesetzt und das mit wenigen Ausnahmen große linke Beschweigen dieses Projekts durchbrochen zu haben. Deshalb ist meine polemische Antwort, wenn es auch den Anschein haben mag, nicht gegen seine Person gerichtet, sondern gilt der gesamten deutschen Linken, für die er mutig den Buckel hingehalten hat.

Da die Texte, die er kritisiert hat als Vorschläge und Entwürfe zu einer in gang zu setzenden Debatte keinen Letztbegründungs-Charakter tragen, habe ich jedenfalls aus seiner Kritik für meine Arbeit an diesem Projekt eine Menge gelernt. Wie ich hoffe, wird er das in Hinblick auf unsere weitere Auseinandersetzung auch von sich sagen können.

Ernst-Ulrich Knaudt

1. Kapitalismus und Kapitalismus – oder die Jahrhundert-Frage nach dem revolutionären Subjekt

Nachdem die Linke des 21. Jahrhunderts in Gestalt der ‘Globalisierungskritiker’ sich selbst zum revolutionären Subjekt erklärt und damit ihre bis dahin auf das Manifest der Kommunistischen Partei (KM) bezogenen Koordinaten völlig neu bestimmt hat, scheint ein Festhalten am Proletariat als revolutionärer Klasse vollkommen obsolet und vergleichsweise unsinnig geworden zu sein. Davor wäre es auch dem letzten Anarchisten nicht einmal im Traum eingefallen, wie abenteuerlich manch einer seiner revolutionären Bocksprünge über ‘das bestehende System’ hinweg in des ‘Reich der Freiheit’ auch aussehen mochte, sich nicht letztlich auf diese Koordinaten zu beziehen.

Das hat sich mit der Selbstermächtigung der ‘Globalisierungskritiker’ gegen »das kapitalistische System als solches« und als Bewegung, die »von ihrem Wesen her antikapitalistisch ist, weil sich ihre Werte und Ziele innerhalb dieser Gesellschaftsordnung nicht durchsetzen lassen« (zit. Kritik 1 An Django Schins: Zur Kritik am Projekt partei Marx, Seite 4 = Antwort, 4), wie es in der Besprechung eines Buches von Alex Callinicos heißt, schlagartig geändert. Und daher mutet es nicht weniger abenteuerlich und geradezu altersstarrsinnig an, wenn heutzutage jemand daher kommt und die Frage nach dem revolutionären Subjekt immer noch bezogen auf das KM stellt.

Dennoch kommt unser Kritiker nicht umhin, seine Kritik am Projekt partei Marx, die sich im wesentlichen auf den Eingangstext, worin dem ‘westlichen’ Proletariat ja durchaus keine revolutionären Lobgesänge gesungen werden, beschränkt [Kommunismus Ein Gespenst geht um in Europa!] mit einem Zitat aus dem KM zu würzen, aber durch die hinzugefügten Hervorhebungen zum Ausdruck zu bringen, daß dieses Projekt partei Marx ein intellektuelles Hirngespinst sei, weil sich z.B. die Frage nach der Rolle und den Aufgaben der »Kommunisten« im Klassenkampf historisch erledigt hat, obwohl der Abschnitt, aus dem dieses Zitat stammt, sich ausdrücklich um das Verhältnis der »Kommunisten« zur »Gesamtbewegung« dreht (zit. Antwort, 2). Darüber kann der Kritiker aber nun hinwegsehen, weil sich die Klärung dieses Verhältnisses durch die Verschmelzung der Linken mit der »multitude« (Negri/Hardt) zu einem neuen revolutionären Subjekt erledigt zu haben scheint.

Das wirft die weitere Frage auf, wie der systemstürzende ‘Antikapitalismus’ der ‘Globalisierungskritiker’ mit dem Abgesang der Linken auf das KM und das Proletariat zusammen paßt. Logisch zumindest nicht! Als Ausweg aus einem logischen Dilemma empfiehlt sich für gewöhnlich die Seitwärtsbewegung, durch die vermieden wird, das Dilemma bei den ‘Hörnern’ zu packen. Ein solcher side-step scheint in der Forderung der ‘Globalisierungskritiker’ nach dem Austritt der ‘antikapitalistischen’ »multitude« aus dem Kapitalismus und ihrem Eintritt in eine ‘andere Welt’, die ‘möglich ist’, gemacht zu werden, eine Lösung, die gewisse Ähnlichkeiten mit dem von dem römischen Historiker Livius erzählten Mythos von der secessio der römischen multitudo auf den mons sacer aufweist (Livius: Ab Urbe Condita, 2.32).

Und wenn die von Django Schins ins Auge gefaßte „Vielzahl dieser auf den individuellen Nutzen gerichteter EGOS” mit besagter »multitude« multipliziert wird, ergibt sich daraus das „gemeinschaftliche Interesse an allgemeiner Wohlfahrt, das den Sozialstaat trägt” (Kritik 1 Anhang 1, Seite 3 = Anhang 1, 3) oder auch nichts anderes als der ins Hobbes-Englisch übersetzte wohlbekannte Übergang der »Multitude so united in one Person« in den bürgerlichen Staat, d.h. das »COMMON-WEALTH, in latine CIVITAS« (zit. Antwort, 7). Bleibt noch klären, was die beiden Staatsgründungen denn voneinander unterscheidet?

Zum einen, daß es sich bei unserer modernen „Sozialstaats”-Interessengemeinschaft weder um Hobbesische Besitzbürger, die durch ihren Verzicht auf das ‘Recht auf alles’ den bevollmächtigten Souverän mit der Führung ihrer den Staat betreffenden Geschäfte beauftragen noch um kleinbäuerliche Nachfolger der Plebejer in Menenius Agrippas Staatsorganismus-Gleichnis handelt, die sich durch ihren Auszug aus dem römischen Gemeinwesen vergeblich gegen ihre Einverleibung in das patriarchalische Klientelwesen zur Wehr setzen wollen; der Auszug der ‘antikapitalistischen’ »multitude« aus dem Kapitalismus in die ‘andere mögliche Welt’, in ihr »counter-Empire« vollzieht sich viel eher nach der bekannten Kindergeschichte ‘Oh, wie schön ist Panama’. Denn während Menenuis Agrippa in seinem Gleichnis die ‘Arme’, d.h. die Plebeier, erfolgreich zur Rückkehr in die römische »CIVITAS« bewegen kann, indem er ihnen erklärt, daß nicht nur sie den ‘Magen’ mit Nahrung zu füllen haben, sondern der ‘Magen’ auch sie ernähre, stellen genau umgekehrt beim geplanten Umzug der Linken aus dem Kapitalismus in den „Sozialstaat” der ‘Magen’ die »multitude« und die ‘Arme’ den sie behütenden und beschützenden „Sozialstaat” dar, den die »multitude« mit der fürchterlichen Drohung zu schocken: falls dieser sich weigere, die bei Max Stirner ausgeliehenen „EGO”s zu ernähren, sich der ‘Magen’ postwendend nach ‘Panama’ verpflanzen lassen werde, wodurch die ‘Arme’ des „Sozialstaats” zur Dystrophie (Muskelschwund), zum Absterben verurteilt und dem deutschen Gemeinwesen Ver.di auf den Hals geschickt wird. Sozusagen der vorzeitige Tod des bürgerlichen Staates lange vor dem Kommunismus! Womit wir wieder beim KM angelangt sind.

Daß mit der „Vielzahl dieser auf den individuellen Nutzen gerichteter EGOS” ein solcher auf dem „gemeinschaftlichen Interesse an allgemeiner Wohlfahrt” begründeter (Sozial-) Staat durchaus möglich ist (obgleich er wahrscheinlich eher die Reihe der ‘failed states’ um einen weiteren bereichern würde), soll an dieser Stelle nicht bestritten und auch nicht bestätigt werden; feststeht jedoch, daß nach Einschmelzung des Proletariats in die linke »multitude« auf diese etwa das zuträfe, was Marx mit Sismondi über den römischen Staat formuliert hat: daß darin das »römische Proletariat auf Kosten der Gesellschaft (lebte), während die moderne Gesellschaft auf Kosten des Proletariats lebt« (zit. Antwort, 8). In unserem Fall würden die Stirnerschen „EGO”s aber nicht nur »auf Kosten der Gesellschaft«, was noch zu verschmerzen wäre, sondern auch »auf Kosten des Proletariats« leben. Siehe den Aufmacher des autonomen Kulturkongresses ”Indeterminate! Kommunismus” aus dem Jahre 2003, in dem frustriert festgestellt wird: The revolutionary subject you are calling is temporarily not available (zit. Antwort, 39 und Reaktionen An Django 28.10.2003), womit das Proletariat zusammen mit der Bourgeoisie für alle durch den Kapitalismus entstehenden gesellschaftlichen Schäden gemeinsam in Anspruch zu nehmen wären! Diese Auskunft über die ‘Verfügbarkeit’ des Proletariats, die die Linke nach ihrer jahrzehntelang vergeblich gebliebenen Anrufung desselben als revolutionäres Subjekt nun zum Auflegen des Telefonhörers gebracht hat, veranlaßt sie nicht etwa zur selbstkritischen Frage, warum selbiges Proletariat so wenig geneigt ist, seine gegenüber dem Kapital erzwungene ‘Verfügbarkeit’ auch der Linken zuteil werden zu lassen, sondern zum endgültigen ‘Abschied vom Proletariat’: was kümmert uns unser proletarisches Geschwätz von gestern! Sollen die Totengräber der bürgerlichen Gesellschaft selbst ihre Toten begraben! Ihre historischen Irrtümer seien ihnen verziehen! So muß ihnen diese auch niemand mehr nachweisen und nachtragen! partei Marx, welch ein Schmarrn!

Dafür werden sich die „Sozialstaats”-Gründer in Zukunft gemeinsam mit der Bourgeoisie um das Problem kümmern, wie „die Kernstruktur der kapitalistischen Produktionsweise bzw. die ihr entspringende Verwertungslogik in ihren Wirkungen zivilisierend modifiziert, d.h. verhindert [wird], daß sich deren Logik ungehindert (barbarisch) entfalten kann” (Anhang 1, 3). Und zwar durch einen Rückgriff auf den ‘Rheinischen Kapitalismus’, unter dessen ‘Akkumulationsregime’ Lohnarbeit und Kapital friedlich wie Wolf und Lamm ‘antifaschistisch’ miteinander koexistieren werden.

Dieser paradiesische Zustand, das wissen auch die Verteidiger des „Sozialstaats”, war aber nicht nur durch moralischen Druck auf die mit dem Faschismus kooperiert habende deutsche Bourgeoisie, sondern vor allem durch die von den Bajonetten der siegreichen Roten Armee ausgehenden Überzeugungsarbeit gegenüber derselben zustande gekommen. Ähnliche Druckverhältnisse sollen heute von jenen „Gegenkräften” ausgehen, die mit revolutionären Staatsführern wie Hugo Chávez oder Evo Morales im Rücken, als reform-revolutionär-dialektische Klassenkämpfer” dem Kapitalismus (durch eine ‘Revolution von oben’) den Garaus machen könnten” (Anhang 1, 5). Das Dialektische an diesen revolutionären „Klassenkämpfer(n) ist, daß sie als neues revolutionäres „Subjekt einer System transformierenden Strategie” den Kapitalismus durch „eine nur reformistisch-korrigierende Negation” nicht einfach negieren, sondern den „bloßen Reformismus in einer höheren (tendenziell revolutionären) Qualität des Allgemeininteresses” aufheben werden (Anhang 1, 3). Die Gründung des „Sozialstaats” wäre verbunden mit der Umwandlung dieser revolutionären Dialektik in eine ‘Zeitmaschine’ zur Zurückverpflanzung des ‘Rheinischen Kapitalismus’ ins Deutschland von heute.

Dazu muß die Bourgeoisie nur noch davon überzeugt werden, daß sie „schon einige Zeit strategisch gegen ihr eigenes Existenzinteresse” handelt, weil ihre „politische(n) Erfüllungsgehilfen… eine Strategie der Profitmaximierung auf Teufel komm raus fahren, an einem ‘sozialverträglichen Ausgleich’ deshalb nicht mehr interessiert sind, und immer mehr gesellschaftliche Bereiche der Kapitalverwertung direkt unterwerfen” und dabei meinen, „sich ohne DDR und mit schwachen Gewerkschaften alles erlauben” zu können (Anhang 1, 5). Es geht also darum, „den Klassenkompromiß der Nachkriegszeit”, den „das Kapital aufgekündigt” hat, wiederherzustellen! Aber wem hat die deutsche Bourgeoisie diesen eigentlich aufgekündigt: der Linken oder der deutschen Arbeiterklasse?

Bei einer derartigen Überzeugungsarbeit ist der Katastrophen-Kommunismus, wie er der partei Marx von ihrem Kritiker unterstellt wird, natürlich besonders hinderlich und muß zum Schutz des neu zu gründenden „Sozialstaats” vor solchen „Hasardeuren” bewahrt und wie ein lästiges Insekt abgestreift werden. Aber wo ist denn auf den Web-Seiten der partei Marx an irgendeiner Stelle die These aufgestellt worden, daß „die Millionen Nutznießer des ‘Sozialstaates’ …statt für Reformen zu ihrem Nutzen zu kämpfen, noch mehr darben, warten sollen, ehe sie zur Revolution schreiten dürfen, nein, müssen – weil dann durch reine Fundamentalopposition die Widersprüche bis zur Katastrophe zugespitzt worden sind”? (Anhang 1, 3 ff.) Wenn dies zuträfe und die katastrophische Zuspitzung der Widersprüche in Gesellschaften, in denen kapitalistische Produktionsweise herrscht, tatsächlich nur mit Hilfe sogenannter „Hasardeure” produziert würde, wäre die der partei Marx unterstellte Katastrophen-Strategie in der Tat eine ziemliche anarchistische Dummheit, um es milde auszudrücken!

Dieser Popanz, gegen den sich der Kritiker der partei Marx zu profilieren hofft, ist Ausdruck des in der Linken grassierenden politischen Ökonomismus, der ihr zur Gewinnung der „für den Sozialismus … notwendigen Träger und Subjekte, Mehrheiten [!]verhelfen, (Anhang 1, 4) d.h. für eine Gesellschaft instrumentalisieren soll, deren Baupläne nach den bekannten historischen Vorlagen und Mustern in ihren Köpfen vorgefertigt und jederzeit abrufbar aufbewahrt sind. Dagegen steht der politische Klassenkampf, der nach der Marxschen Strategie das Proletariat in die Lage versetzt, den Kampf gegen die Klasse der Bourgeoisie selbsttätig und selbständig zu führen (Antwort, 10 ff.). Darin ist der „Sozialismus”, für den der Kritiker der partei Marx erst die „notwendigen Träger und Subjekte, Mehrheiten gewinnen” zur Erreichung dieses fernen Ziels gewinnen will, bereits in die Arbeit der »Rekonstruktion des Proletariats als revolutionäre Klasse« und der »Wiedererschaffung einer revolutionären deutschen Arbeiterbewegung« (Kritik 1 Anhang 2 22) eingeschlossen, die im Gegensatz zur deutschen Linken nicht auf die Öffnung eines „Zeitfenster(s) hoffen muß, das „sich für jene Kräfte” öffnen wird, „die das Übel an der Wurzel packen, ausreißen wollen und können” und die, „um es diesmal richtig zu machen, auch die besseren konkreten Alternativen anbieten müßten, nicht alleine den GROSSEN REVOLUTIONÄREN WURF. Mit dem man im besten Fall ganz alleine in Schönheit stirbt” (Anhang 1, 6).

Die Kritik am „GROSSEN REVOLUTIONÄREN WURF” ist wohl eher an die Adresse der deutschen Linken in ihrem früheren Zustand gerichtet, die früher damit ständig herumgeprahlt hat. Anders als damals werden mit den „Kräften, …die das Übel an der Wurzel packen, ausreißen wollen und können” kleine Brötchen gebacken, bei denen es sich selbstverständlich nicht mehr um das auf den Webseiten der partei Marx „imaginierte revolutionäre Proletariat als Klasse”, sondern um „Mehrheiten (lohnabhängig Beschäftigte, Arbeitslose, zivilgesellschaftliche Akteure)” handelt, die das Kapital „zivil und friedlich und ohne roten Terror in seine Schranken weisen” können. Und damit sie das auch tun, werden ihnen die Segnungen des linken ‘Sozialstaats’ als „die besseren konkreten Alternativen” angeboten. Auch hinter diesem Popanz steckt der bereits genannte politische Ökonomismus, mit Hilfe dessen parlamentarische „Mehrheiten” gezimmert und der ‘Sozialstaat’ der »multitude« als Sozialismus in ‘Panama’ verkauft werden soll. Derartige Vorschläge werden, da hat unser Kritiker völlig recht, schwerlich auf den Seiten der partei Marx zu finden sein.

Was lernen wir daraus? Sobald der gewöhnliche Antifaschist unter dem Druck der politischen Ereignisse die Nähe unbesetzter Regierungssessel wittert, wird aus dem bisherigen Erretter der Menschheit der knallharte Realist, der nur noch den unmittelbaren Erfolg sucht und diesen auch notfalls gegen den eigenen Utopismus von gestern verteidigt. Um ‘zielführend’ zu handeln, lernt er sehr schnell, mit dem Realismus der zu Antifaschisten ernannten politischen Gegner seinerseits realistisch zu kalkulieren: „’Volksparteien’ müssen bestimmte Rücksichten nehmen, weil sie gewählt werden wollen. Eigeninteresse versus nacktes Kapitalinteresse!” (Anhang 1, 3).

Dieses „Eigeninteresse” ist aber zum einen nichts anderes als eine Projektion des eigenen Zwiespalts, in den sich der Kritiker des vermeintlichen Katastrophen-Kommunismus der partei Marx durch seinen ‘Abschied vom Proletariat’ selbst begeben hat und von dem es per Analogieschluß annimmt, daß er auch auf seiten der ‘Volksparteien’, einschließlich der bürgerlichen Arbeiterparteien, zugunsten der Millionen Nutznießer des ‘Sozialstaates’” (Anhang 1, 3) vorhanden sein müsse. Aber anders als unser Kritiker glaubt betrachten diese Parteien ihre Stellung zueinander und zur bürgerlichen Gesellschaft ausschließlich unter dem Gesichtspunkt der Konkurrenz und der kollektiven Wahrung des nackten Kapitalinteresses” der deutschen Bourgeoisie (eine Bezeichnung übrigens, die bemerkenswerter Weise bei unserem Kritiker nicht ein einziges Mal vorkommt!) gegenüber den Interessen des Proletariats (lassen wir hier einmal dahingestellt, woraus sich dieses als Klasse an sich im Zeitalter der ‘Globalisierung’ rekrutiert!). Die Ersetzung des Antagonismus von Lohnarbeit und Kapital in Gesellschaften, in denen kapitalistische Produktionsweise herrscht, durch den Gegensatz einer rückwärtsgewandten und einer reformbereiten Fraktion der Bourgeoisie, ergibt sich unmittelbar aus der Liquidierung des laut KM bestehenden weltrevolutionären Charakters des Proletariats Klasse gegenüber der Bourgeoisie.

Oder wie es in der Kritik am Projekt partei Marx abschließend heißt:Also: Die Bewegung dieses (innerökonomischen) Widerspruches zwischen dem Interesse der Einzelkapitale und dem des Gesamtkapitals (und erst recht dem der Gesellschaft als Ganzes) produziert Gegenkräfte (auch staatliche: Venezuela, Bolivien) – und dies weltweit – in einem (für mich jetzt schon) unerwarteten Ausmaß, die durch politische Interventionen im Interesse der Mehrheit, den wild gewordenen Kapitalismus wieder an die Leine legen können. Staatliche Interventionspolitik kann diesen Widerspruch regulieren – wie historisch bewiesen! – ohne ihn jemals zu lösen” (Anhang 1, 6). Das mag sein; nur stellt sich die Frage, ob diese angeblichen „Gegenkräfte” und die von ihren „Mehrheiten” in die Parlamente gespülte neue Bourgeoisie die „Leine”, an die sie den Kapitalismus legen wollen, nach Ausführung ihrer „politische(n) Intervention” auch wieder loslassen werden, wenn das von ihnen zum „geschichtlichen Aposteriori” (Anhang 1, 15) zwischenzeitlich degradierte Proletariat vorhaben sollte, sich wieder in den Besitz seiner vom Kapital enteigneten Produktionsbedingungen zu bringen. Dies hätte unser Kritiker der Vollständigkeit halber noch hinzufügen sollen; denn bekanntlich lassen manche „Gegenkräfte”, wenn sie sich als Betreiber „staatliche(r) Interventionspolitik” zur Bändigung des „wild gewordenen Kapitalismus” erst einmal etabliert und ihn an die Leine genommen zu haben meinen, diese „ – wie historisch bewiesen! –” nur unter äußerstem (revolutionären) Zwang wieder los (siehe; Berlin, Posen, Budapest in den Golden Fifties!).

Das große Dilemma, daß die damaligen hauptsächlich proletarisch geprägten „Gegenkräfte” in ihrem Kampf gegen die neue Bourgeoisie nicht in der Lage waren, sich von der alten freizumachen, wiederholt sich als Farce bei den proletarisierten oder sich gerade proletarisierenden „Gegenkräften” von heute in ihren symbolischen Widerstandsaktionen gegen die alte Bourgeoisie, die von der neuen Bourgeoisie, die darauf aus ist, ihre ‘alten Königreiche’ zurückzuerobern, politisch dominiert werden; dieses Dilemma läßt sich durch die von unserem Kritiker bemühte abstrakte Entgegensetzung von Reform oder Revolution nicht aus der Welt schaffen, sondern wird nur ständig von neuem bestätigt.

In Wirklichkeit stehen sich hier mit den linken „Gegenkräfte(n)als neuem revolutionärem Subjekt einerseits und dem von der partei Marx auf ihren Seiten „imaginierte(n) revolutionäre(n) Proletariat als Klasse” (Anhang 1, 7) andererseits zwei einander ausschließende gesellschaftsverändernde Konzepte unvermittelt gegenüber, worin es jeweils nicht um Reform oder Revolution, sondern Reform und Revolution geht. Der Unterschied besteht aber nicht nur in einer verschiedenen Reihenfolge, sondern darin, was in beiden Konzepten jeweils unter Reform und Revolution verstanden wird. Da aber ein Streit mit welcher Bourgeoisie auch immer darüber, daß durch ihre Reformpolitik die Revolution verhindert werde (ein beliebter Vorwurf der radikalen Linken an die Adresse der alten Bourgeoisie und die ihr dienenden bürgerlichen Arbeiterparteien), müßig, weil an die falsche Adresse gerichtet, ist, kann sich dieser nur um den Nachweis drehen, daß die Reformen der neuen Bourgeoisie, weil sie allein der Rückeroberung ihrer Alleinherrschaft dienen, eine Farce sind, im Extremfall eine Revolutions-Komödie, die .die alte Gesellschaft nicht in Richtung Revolution, sondern einer wie auch immer revolutionär daherkommenden Reaktion vorantreibt. Das ließe sich an jeder der von der Linken inspirierten Reformen nach dem Goetheschen Motto: ‘Vernunft wird Unsinn, Wohlstand Plage…’ nachweisen, wofür hier weder Platz noch Gelegenheit ist.

Und daran wird sich auch nichts ändern, solange die Karikaturen der Diktatur des Proletariats, ob als „roter Terror” oder Pol-Pot-Gegrusel, ausschließlich von der (alten und neuen) Bourgeoisie historisch verwaltet werden und die Linke mit Karl Kautsky der Ansicht ist, daß mit der zunehmenden Entfaltung der Produktivkräfte und Zivilisierung der Arbeiterklasse derartige , wie es im Programm der DKP euphemistisch heißt, ‘Fehlentwicklungen’ von selbst verschwinden werden; solange also dieser negative Erfahrungsschatz nicht in das von der partei Marx so inbrünstig „imaginierte revolutionäre Proletariat als Klasse” eingegangen ist, wird sein Klassenbewußtsein ein weißes Blatt Papier bleiben, worauf die alte und die neue Bourgeoisie ihre Sittengemälde vom barbarischen oder paradiesischen Kommunismus je nach Gusto abbilden können.

2. Über Glaube, Liebe Hoffnung und den Kommunismus

In Anbetracht dessen handelt es sich bei der von unserem Kritiker auf den Seiten der partei Marx und in unserer Korrespondenz entdeckten Frage, ob „der Sozialismus/Kommunismus zwangsläufig (Reaktionen An Django 10.01.2002), also mit Notwendigkeit im Sinne eines ehernen historischen Gesetzes kommen wird” oder nicht, um ein schlichtes Scheinproblem, das durch die im KM entwickelte Methodik, wonach die Lösung der Eigentumsfrage bereits in ihrer Bestimmung als historische Frage enthalten ist, sich erledigt hat. (»Die Abschaffung bisheriger Eigentumsverhältnisse ist nichts den Kommunismus eigentümlich Bezeichnendes…«; zit. Antwort, 2).

Wenn daher auf den Seiten der partei Marx und in unserer Korrespondenz die »Abschaffung bisheriger Eigentumsverhältnisse« als etwas nur »den Kommunismus eigentümlich Bezeichnendes« erklärt worden wäre, wäre dies auch zu Recht zu kritisieren. Allerdings scheint sich auch der Kritiker ähnliche Probleme mit seiner Prophetie eingehandelt zu haben, in der er den Kommunismus zu einer Frage der Demokratie macht, d.h. der „nur dann kommen wird, … wenn hinreichend viele Menschen ihn wollen (Anhang 1, 7). Das ist aber gar nicht die entscheidende Frage, sondern wie gesagt die »Abschaffung bisheriger Eigentumsverhältnisse« als Lokomotive der Geschichte. Und diese können in unserem Fall nur von denjenigen abgeschafft werden, die damit unmittelbar praktisch was zu tun haben, was dadurch nicht mehr ausschließlich eine Frage der Demokratie ist.

Mit der »Abschaffung bisheriger Eigentumsverhältnisse« durch den Kommunismus hängt wiederum die Frage der gemeinschaftlichen Produktion, d.h. des Privateigentums oder des gesellschaftlichen Eigentums an den Produktionsmitteln und die des praktischen Scheiterns aller „bisherigen Ansätze »gemeinschaftlicher Produktion«” zusammen, die aber nicht, wie unser Kritiker meint, „an ihrer ökonomischen Ineffizienz” (Anhang 1, 9), sondern an der bisher zu geringen Entfaltung der Widersprüche der kapitalistischen Produktionsweise gescheitert sind.

Gemessen daran ist der Einwand wenig überzeugend: „Ich sehe hier freundlicherweise davon ab, daß eine wirklich gemeinschaftliche Produktion schlichtweg unvorstellbar ist, also, gelinde gesagt, schon auf erhebliche theoretische Schwierigkeiten stößt: Wie soll man sich z.B. vorstellen, daß alle Mitglieder einer Gesellschaft (ihre) allgemeine Produktion kontrollieren, also jeder beliebige Arbeiter oder jedes beliebige Arbeitskollektiv Informationen und Einfluß auf jede andere Produktion hat?” (Anhang 1, Anmerkung 27) Wenn unser Kritiker schon die Möglichkeit einer „wirklich gemeinschaftliche(n) Produktion” auf ihre rein technischen Bedingungen beschränkt diskutiert, verwundert es schon, wie er den gewaltigen Entwicklungsschub, der in den letzten Jahrzehnten in der Informationstechnologie eingetreten ist, so vollständig ignorieren kann. Kann er sich nicht vorstellen, daß unter derartigen Voraussetzungen die in den archaischen Gesellschaften herrschende natürliche Arbeitsteilung, deren bruchlose Fortführung, wie sich ständig von neuem zeigt, nur eine weitere Abart des Faschismus erzeugt, durch eine bewußte Arbeitsteilung zwischen den Produzenten, die sich ihre Produktionsbedingungen als gesellschaftliche wiederaneignen, aufgehoben werden könnte? Wahrscheinlich hat das unverarbeitete Scheitern des ‘realen Sozialismus’ bei ihm so tiefe Spuren hinterlassen, daß er sich Sozialismus anders als in seiner asiatischen Form und der damit verbundenen orientalischen Despotie nicht vorstellen kann und er aus diesem Grund jede Form der gemeinschaftlichen Produktion von vornherein ablehnt.

Um so bedauerlicher ist es, daß der Kritiker mit diesem Popanz kritisch bewaffnet, auf den Kommunismus der partei Marx eindrischt und diesen als reinen Erlösungsglauben (Eschatologie) zu entlarven sucht (Antwort, 35 ff.). Dabei bedient er sich eines langen Zitats aus Friedrich Engels’ Anti-Dühring (zit. Anhang 1, 11), allerdings nur, soweit darin die Geschichte der Religionen behandelt wird, ohne die Pointe der Engelsschen Kritik an den unbegriffenen Mächten der modernen Gesellschaft, die nur durch eine »eine gesellschaftliche Tat« überwunden werden können, in sein Zitat aufzunehmen. Das verwundert doch sehr, bei all der Praxisorientiertheit, die der Kritiker bis dahin gegen die angebliche Theorielastigkeit der Kommunismus-Vorstellungen der partei Marx ins Feld geführt hat. Sein auch in diesem Zusammenhang wiederholter „Determinismus”-Vorwurf wird hieran gemessen noch um einiges fragwürdiger.

3. The meaning of the eating is the pudding?

Daher bietet es sich an, den Praxis-Begriff unseres Kritikers, den er erklärtermaßen von W.F. Haug bezieht („Ich sehe das wie Haug”), genauer unter die Lupe zu nehmen, weil er davon die „kontemplative Grundstruktur des Denkens”, die dem Projekt der partei Marx zugrunde liegen soll, ableitet (Anhang 1, 17 und Anmerkung 49).

Wenn er sich seines theoretischen Gewährsmanns nicht dogmatisch, sondern kritisch bedienen würde, hätte unserem Kritiker eigentlich auffallen müssen, daß der in der Ersten Feuerbach-These von Marx kritisierte »Hauptmangel alles bisherigen Materialismus« auf die im Titel des Aufsatzes von W.F. Haug angekündigte „materialistische Erkenntnistheorie” kaum weniger zutrifft, weil darin auch der »Gegenstand, die Wirklichkeit, Sinnlichkeit nur unter der Form des Objekts oder der Anschauung« gefaßt wird, »nicht aber als sinnlich menschliche Tätigkeit, Praxis; nicht subjektiv« (zit. Antwort, 49). Eine solche als Sinnlichkeit, Subjektivität, menschliche Tätigkeit bestimmte Praxis kann aber nicht stattfinden, solange der »Gegenstand …unter der Form des Objekts… gefaßt wird«, wie sehr auch, besonders in der Kritik am Idealismus, dieses Verhältnis unter dem „Gesichtspunkt des Lebens, der Praxis” als der „erste und grundlegende Gesichtspunkt der Erkenntnistheorie” betont werden mag (zit. Antwort, 67). Eine solche ausschließlich objektbezogene Praxis bleibt, weil sie diesen nur »unter der Form des Objekts oder der Anschauung« begreift, in der rein „kontemplative(n)” Aneignung des Gegenstandes und jener „kontemplativen Grundstruktur des Denkens” (Anhang 1, 17) befangen, die unser Kritiker dem Projekt partei Marx grundsätzlich unterstellt.

Die Folgen, die dieser subjekt- und letztlich auch geschichtslose Praxis-Begriff gezeitigt hat, berühren alle Seiten des ‘realen Sozialismus’, den Haug in diesem Aufsatz von seiner subjektivistischen Willkür und seinem mechanischen Materialismus befreien will. Gemessen an den Feuerbach-Thesen muß dieser Reformversuch jedoch scheitern (siehe im einzelnen: Antwort, 48 Exkurs).

Von aktueller Bedeutung sind die Auswirkungen dieses Praxis-Begriffs auf das Verhältnis von Theorie und Praxis, das W.F. Haug als Problem der besondere(n) Stellung der Kopfarbeiter im gesellschaftlichen System der Teilung der Arbeit” auf dem „Feld des ideologischen Klassenkampfesbestimmt (zit. Antwort, 52). Haug geht von der Annahme aus, daß der real-sozialistische Kopfarbeiter, weil er sich dem ‘realen Sozialismus’ zur Verfügung gestellt hat, verglichen mit dem kapitalistischen Kopfarbeiter aus dem Schneider sei, weil er im Gegensatz zu seinem westlichen Kollegen dem Proletariat als dem ‘politisch korrekten’ Arbeitgeber dient und, obwohl Kritik eigentlich sein Beruf ist, sein neues ‘Arbeitsverhältnis’ davon nicht berührt wird. Dabei ist es gerade diese Berufskrankheit, die Marx am rein theoretischen Materialismus in der Ersten Feuerbach-These kritisiert: »Feuerbach will sinnliche – von den Gedankenobjekten wirklich unterschiedne Objekte: aber er faßt die menschliche Tätigkeit selbst nicht als gegenständliche Tätigkeit. Er betrachtet daher im ‘Wesen des Christentums’ nur das theoretische Verhalten als das echt menschliche, während die Praxis nur in ihrer schmutzig jüdischen Erscheinungsform gefaßt und fixiert wird« (zit. Antwort, 51). Daraus zieht Marx eine für diesen rein materialistischen Praxis-Begriff tödliche Schlußfolgerung: »Er [Feuerbach] begreift daher nicht die Bedeutung der ‘revolutionären’, der ‘praktisch kritischen’ Tätigkeit.«

Was heißt das? Wenn der Kritiker seine kritische Tätigkeit nur als theoretische Arbeit für einen besseren ‘Arbeitgeber’ (‘besser’, weil dieser, wie er vermutet, die Zukunft der Menschheit repräsentiert) bestimmt, bleibt er ein Kopfarbeiter, der seine theoretische Arbeit heute dieser und morgen jener herrschenden Klasse zur Verfügung stellt; d.h. der Konflikt, in den sich jeder Kopfarbeitermit seiner theoretischen Arbeit begibt, wird auch durch das revolutionäre Proletariat als neuer Arbeitgeber nicht beseitigt, solange der Kopfarbeiter nicht die »Bedeutung« seiner kritischen Tätigkeit als »‘revolutionäre’, …‘praktisch kritische’ Tätigkeit« begreift, worin der für ihn unlösbar erscheinende Konflikt praktisch aufgehoben ist. Diese Praxis ist es, die W.F. Haug und mit ihm unser Kritiker nicht akzeptieren. Daß dieser Praxis-Begriff auch Auswirkungen auf Haugs Interpretation der Marxschen Werttheorie hat, worin die Spaltung der Ware in Gebrauchswert und Wert und der produktiven menschlichen Tätigkeit in konkrete und abstrakt menschliche Arbeit nicht vorkommen, sei hier nur am Rande vermerkt (Antwort, 55 ff.), von der vollkommen willkürlichen Ableitung der Widerspiegelungstheorie aus dem berühmten Fetisch-Kapitel im Kapital einmal ganz abgesehen (Antwort, 59).

W.F. Haugs „materialistische Erkenntnistheorie” landet damit zwangsläufig bei einem kruden Realismus, der letztlich in der bekannten Devise ‘der Zweck heiligt die Mittel’ gipfeln muß: „Indem es in der menschlichen Praxis um die objektive Befriedigung der Bedürfnisse geht, gehen muß, zielt sie ebenso notwendig auf die Entsubjektivierung der Erkenntnis. Wir haben es nötig, weil wir von subjektiven Vorstellungen nicht leben und mit ihren rein subjektiv konstituierten Phantasierezepten nicht leben können” (Zit. Antwort, 65), ein Realismus, dessen sich auch unser Kritiker ausreichend bedient, der sich zu der absurden Tautologie versteigt: Marx definiert hier Marxismus radikal als Realismus!” (Anhang 1, 20). Solche auf diese Weise entsubjektivierte angeblich dialektisch-materialistische Erkenntnistheorie hat sich damit auch von jeder menschheitsbefreienden revolutionären Perspektive verabschiedet und läuft Gefahr, zur Legitimationswissenschaft der Reaktion, in welcher politischen Gestalt diese auch immer auftritt, zu verkommen.

4. Und wie weiter?

Von diesem Befund ausgehend, fällt es mir schwer, diese Kritik an dem Projekt partei Marx ernsthaft zu erwidern, zumal diese zunehmend psychologisierend daraufhin zugespitzt wird, daß das Betreiben eines solchen Projekts einen pathologischen Fall von Größenwahn darstelle, wovor der Kritiker in der scheinbar überlegenen Position des radikal realistischen ‘Marxisten’ den Betreiber dieses Projekts fürsorglich warnen möchte (Hast Du Dich da auf einen Stuhl gesetzt, ohne dessen Tragfähigkeit zu prüfen?”) (Anhang 1, 22). Diese pädagogisch sicherlich freundlich gemeinte Fürsorglichkeit erinnert sehr stark an entsprechende Verfahrensweisen aus der Breshnew-Ära, als der ‘Marxismus’ noch ex cathetra des Politbüros als Unfehlbarkeitsdogma verkündet werden konnte und Kritiker, die es tatsächlich wagten, eine Differenz zwischen der staatlich verwalteten Theorie und der gesellschaftlichen Praxis gegenüber deren amtlichen Verkündern anzumahnen, wegen ihrer anmaßenden Winzigkeit auf ihre schlichte Unbedeutendheit administrativ zurückgestutzt wurden.

Darin steckt nichts anderes als der von Friedrich Engels in seinen schlechtesten Träumen vorausgeahnte »preußischer Sozialismus« in R(h)einkultur! Auf dieser Grundlage schrumpfen die angeblichen Unterschiede zwischen dem von der DKP hochgehaltenen Sozialismus Breshnewscher Provenienz und den kritisch davon Abstand halten wollenden Demokratischen Sozialisten weitgehend zusammen. Wahrscheinlich hat es eine solche auch nie ernsthaft gegeben!

Um eine Kritik in der Sache handelt es sich hierbei jedenfalls nicht mehr, eine Kritik, worin u.a. die Frage zu ergründen wäre, wie es denn zu dieser von Engels bei einem Katheder-Sozialisten wie Dühring bereits feststellten und dann wirklich eingetretenen Verpreußung des Sozialismus, nicht allein in Deutschland, hat kommen können. Fragen, die sich Marxismus-Päpste nicht stellen lassen, ohne daraufhin ‘persönlich’ zu werden und sich schon gar nicht von irgendwelchen Niemanden stellen lassen, ohne laut öffentlich an deren Geisteszustand zu zweifeln.

Hinzukommt, daß die gesellschaftliche Entwicklung in Deutschland über das auf den Seiten der partei Marx halluzinierte revolutionäre Proletariat – als blutleere Kopfgeburt des idealistischen Philosophen – … eine logische Klasse, die das Wahre, Gute und Schöne an und für sich, schlechthin, verkörpert” (Anhang 1, 20), längst hinweggegangen zu sein scheint, seitdem die deutsche Linke in Zusammenarbeit mit der bürgerlichen Massenpresse und philanthropischen Fernseh-Moderator_innen einen Stellvertreter des Proletariats auf Erden in der Gestalt des ‘Prekariats’ gefunden hat, der wahlkampftechnisch betrachtet alle Vorzüge einer ‘Unterklasse’ aufweist, ohne selbst noch als Klasse gegenüber der Bourgeoisie in Erscheinung zu treten, sondern nur als ’Einzelschicksal’ gegenüber der modernen ‘Armenpflege’, wozu sich der Solidarfonds der staatlich verwalteten Arbeitslosenversicherung zunehmend verwandelt hat. (Welches ‘Einzel-Schicksal’ beißt die Hand, von der es gefüttert wird?) Zweifellos gehört das Aufkommen der ‘Massenarmut’ zu den klassischen Syndromen, die mit der zunehmenden Krisenhaftigkeit der kapitalistischen Produktionsweise einhergehen. Daß aber das von ihr inthronisierte Stellvertreter-Proletariat, das seiner gesellschaftlichen Stellung nach selbst nicht in der Lage ist, als revolutionäre Klasse zu handeln, von der Massenpresse als revolutionäres Gespenst aufgeblasen und unter tätiger linker Mithilfe publizistisch aufgeschäumt wird, bildet einen weiteren Meilenstein bei der Verwandlung der Linken in eine Wahlkampfmaschine und auf dem Wege ihrer politischen „Transzendenz” in die ‘andere mögliche Welt’. Wobei noch nicht ausgemacht ist, welche Bourgeoisie dann dabei mit von der Partie sein wird.

So bleibt die auf den Eingangseiten der partei Marx geäußerte Feststellung, daß sich »die Totengräber …des Kapitalismus in seinen Hochburgen …im Streik« befinden, wovon die in isolierten symbolischen Aktionen vorgetragenen Leistungsmehrforderungen des ‘Prekariats’ diese am allerwenigsten abbringen werden, nicht nur unverändert bestehen, sondern ist unter diesem neuen Gesichtspunkt erst wirklich wahr geworden. Auch hat sich an der gegen das Projekt vorgetragenen „realistischen” Kritik, gezeigt, daß hinter der von der deutschen Linken politisch vorgeschobenen Demokratie der ‘Reale Sozialismus’ als nach wie vor unverzichtbare Grundlage an allen Ecken und Enden hervorschaut. Hinzugekommen ist auch, daß alle die, die Marx beim Wort nehmend und ausgehend von ihrem radikalen Verständnis der Marxschen Theorie diese Grundlage aus historischer Erfahrung praktisch infrage gestellt sehen, vom schwer bewachten, wenn auch momentan kaum genutzten Territorium des ‘Realen Sozialismus’ aus erbarmungslos bekämpft werden, Angriffe gegen die persönliche Integrität eingeschlossen.

Bekanntlich kann aus einem Funken ein Steppenbrand entstehen. Auf welcher Seite sich dann jene Kritiker und die auf den Seiten der partei Marx Kritisierten wiederfinden, läßt sich von heute aus betrachtet, weil unter dem Schleier des Nichtwissens verborgen, zum Glück nur erahnen.

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An Django Schins: Zur Kritik am Projekt partei Marx »

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Inhalt

In dieser Antwort an einen Kritiker des Projekts partei Marx (siehe Anhang 1) wird die Neubestimmung des Widerspruchs zwischen dem Proletariat und der Bourgeoisie durch den Widerspruch zwischen dem Einzelmenschen und dem Kapitalismus, wie er seinerzeit von der Anti-Globalisierungsbewegung vertreten wurde, bezogen auf das Manifest der kommunistischen Partei (KM) zurückgewiesen. Der Kritiker hatte sich ausschließlich zwei Sätze aus »Ein Gespenst geht um in Europa…« ([2001] KOMMUNISMUS 1), worin das Projekt vorgestellt wird, vorgenommen, in denen die »Globalisierungsgegner« kritisiert werden, die »den Tagungskalender des kapitalistischen Weltkrisenmanagements« abarbeiten, um dieses »zu einer vernünftigen Regulierung des Elends auf dieser Welt zu überreden«. Aber der nach den Demonstrationen von Seattle und Genua auf den kontinentalen Sozialforen und den Weltsozialforen unter der Losung »eine andere Welt ist möglich« ausgerufene Aufstand der vielen Einzelnen gegen den »entfesselten Kapitalismus« erweist sich bei näherem Hinsehen als einer der üblichen Trugschlüsse des „linken“ kleinbürgerlichen Spießers über sich selbst und, was ihm Django Schins freudig zugesteht, über sein »durchaus egoistisches Interesse« als »Allgemeininteresse … an allgemeiner Wohlfahrt, das den Sozialstaat trägt«.

Dieses »Allgemeininteresse« wird in Negri/Hardts Empire von der »multitude« als dem neuen revolutionären Subjekt vertreten, deren ‚weltrevolutionäre Bewegung‘ zum Sturz jenes »Empire« (= der Bush-Administration) führen werde. Bereits in Thomas Hobbes‘ Leviathan ist diese »multitude« im Grunde nichts anderes als die Summe der bürgerlichen Individuen, die in einem wechselseitigen Vertrag untereinander vereinbaren, auf das »Recht auf alles«, dessen Ausübungsmonopol sie auf den Souverän übertragen, gegenseitig zu verzichten. Der Aufbruch der Anti-Globalisierer in die »neue Welt«, die »möglich ist«, ähnelt auch nicht zufällig dem Auszug der römischen Plebejer (secessio plebis) auf den mons sacer, d.h. dem von Negri/Hardt erträumten »counter Empire«, das heute in Kuba, dem Iran oder in der Volksrepublik Korea anzusiedeln wäre.

Fazit: In der zu neuen Ehren gelangten Hobbesischen »multitude« sind die aus dem KM herzuleitenden Bestimmungen des Proletariats durch diejenigen der römischen Plebs und die Klassenkämpfe zwischen Proletariat und Bourgeoisie durch den Kampf zwischen den »freien Reichen und den freien Armen«, die beide auf Kosten der Gesellschaft leben (Marx), ersetzt worden.

Die in »Ein Gespenst geht um in Europa…« gestellte zentrale Frage: warum das moderne Proletariat aufgehört hat, »seinem historischen Beruf als Totengräber des Kapitalismus« nachzugehen, wird von dem Kritiker schlicht umgangen. Ihm kommt es wesentlich darauf an, den »Sozialstaat«(Hobbes: »commonwealth«), wie er seit dem Ahlener Programm der CDU von 1947 praktiziert wird, beim Wort zu nehmen, um der ungehemmt sich austobenden Verwertungslogik des Kapitals einen Bremsklotz vorzuschieben, d.h. den angeblich neu entstehenden Manchester-Kapitalismus (genannt: „Neoliberalismus“) durch den Rückgriff auf besagten „Rheinischen Kapitalismus“ zu zähmen.

Derartige Dressurversuche sollen sich nach Michael Brie auch schon in früheren Zeiten durch die Einwirkung des „Sozialistischen Lagers“ auf das westdeutsche Kapital als erfolgreich erwiesen haben, weshalb sich dieses seinerzeit zur Einführung eines politisch modifizierten »Akkumulationsregimes« gezwungen gesehen habe. Unter heutigen Voraussetzungen, d.h. dem nicht mehr nur moralischen Druck, den das neu entstehende anti-‘westliche‘ Lager, auf den „Neoliberalismus“ ausübt, kann sich Uwe-Jens Heuer als Antwort auf die Forderung der »multitude« nach Abschaffung des „Neoliberalismus“ auch eine »Staatsentstehung der sozialistischen Bewegung« vorstellen, deren zwangsläufig dabei hervortretende »barbarische Seite« wegen des quasi »naturgesetzlichen Ablaufs« derartiger Prozesse nicht immer zu vermeiden sei (vgl. REFLEXIONEN).

Solche Staatsschöpfungen »der sozialistischen Bewegung«, die sich unhinterfragt und ohne die leisesten Zweifel zu erregen, im politischen Repertoire der heutigen Linken niedergeschlagen haben, wären etwa zwischen Venezuela, das sich auf dem Weg zu einem zweiten Kuba befindet und dem „rohen Kommunismus“ der Koreanischen Volksrepublik als der radikalen Zuspitzung des notdürftig „westlich“ zivilisierten chinesischen Stamokap anzusiedeln. Daran gemessen laufen die Segnungen des „Rheinischen Kapitalismus“ auf die Gründung einer ‚westlich‘ modernisierten zweiten DDR hinaus. Diesmal unter dem Druck der gegen den Irak-Krieg der USA 2003 gegründeten Achse Peking-Moskau-Berlin-Paris, der ökonomisch in der Ostsee-Pipeline der Firma Gazprom aufgebaut und durch den sozialen Druck des von unserem treusorgenden Sozialstaat herangezüchteten modernen deutschen Plebejertums ergänzt wird, der einer neuen (bonapartistischen) Bourgeoisie erlauben würde, (indem sie völlig verfassungskonform und „demokratisch“ die Machtfrage stellt), ihre alten Machtpositionen wieder einzunehmen. Denn, so Django Schins: »Druck erzeugt Gegendruck…« Wie könnte es anders sein!

Dies die versteckte Botschaft, die aus der von der Sozialstaats-Linken aufgerollten „sozialen Frage“ politisch herauszulesen ist. Dabei wird geflissentlich der Tatsache aus dem Weg gegangen, daß dieser „Sozialstaat“ unter den Bedingungen eines ‚barock‘ anmutenden Steuersystems zugunsten von big money und big business zu einem hohen Prozentsatz von der Masse der „regulär beschäftigten“ lohnabhängigen Bevölkerung finanziert wird. In der politischen Propaganda Der Linken kommt jedoch die Sozialhilfe „vom Staat“ wie die „Armut von der pauvreté. Kein Wunder, daß sich die »Totengräber des Kapitalismus in dessen Hochburgen« im Streik befinden. Lieber zahlen sie ihren Tribut an die deutsche Rest-Armut als unter die Wölfe einer von der wiedervereinigten Linken erträumten Neuauflage der DDR zu fallen.

Die politische Wirksamkeit dieses hervorragenden Kalküls ist aber zum Glück begrenzt. Es wird auf die Dauer nicht verhindern, daß jene »Totengräber des Kapitalismus«, um zu ihrem »revolutionären Beruf« zurückzukehren, sich als Klasse gegen alle Spielarten der Bourgeoisie, ob alte oder neue, linke oder grüne, werden organisieren müssen, um nicht nur sich, sondern die Menschheit vom Joch des Kapitals und der Ausbeutung der Natur durch das Privateigentum zu befreien.

Zu diesen Überlegungen gehört zuallererst die Aufarbeitung der im 20. Jahrhundert uneingelösten revolutionären Strategie der „Partei Marx“, die zwischen zwei Konterrevolutionen – einer präventiven (durch den deutschen Nationalsozialismus) und einer institutionellen (durch den großrussischen Sozialimperialismus) aufgerieben wurde. Ohne sich im Kern als Klasse für sich organisiert zu haben, endet das Gewinnen von sog. Mehrheiten in der Bevölkerung regelmäßig bei dem oben charakterisierten Sozialarbeiter-Sozialismus, von dem sich jener Teil der deutschen Linken ernährt, die es sich nach Django Schins zur Aufgabe gemacht hat, die humanistische Seite der Bourgeoisie gegen ihre barbarische zu stärken und dadurch zu verhindern, daß das deutsche Kapital gegen seine eigenen »Existenzinteressen« handelt. Bei diesen Winken mit dem Zaunpfahl, mit denen sich der »reform-revolutionär-dialektische Klassenkämpfer« gegen den ‚westlichen‘ Kapitalismus bei den Chávez, Ahmadinedschad e tutti quanti den nötigen Rückhalt zu verschaffen hofft, kann unser Kritiker mit der historisch bewiesenen enormen Anpassungsfähigkeit des deutschen Kapitals rechnen, die es im Umgang mit allen möglichen Klassenkämpfern ‚von oben‘ von Bismarck über Hitler bis Honecker bewiesen hat, um seine Monopolstellung auf dem Weltmarkt zu verteidigen oder ein solches zu schaffen, wobei es inzwischen auch gelernt hat, seine Interessen, für die die Völker seit jeher den Kopf hinhalten müssen, auch ohne Anwendung außerökonomischer Gewalt durchzusetzen. Der „Sozialstaat“ dient daher in erster Linie der „sozialen Sicherheit“ des Kapitals und der Aufrechterhaltung des Kapitalverhältnisses, unter welcher politisch opportunen Taktik auch immer!

Dem hat sich die Kernbelegschaft der deutschen Arbeiterklasse mit ihren staatsmonopolistisch formierten Gewerkschaften ziemlich nahtlos angepaßt. Gemessen am Durchschnitt der Reallöhne im Weltmaßstab lägen die deutschen zwar weit darüber und die chinesischen weit darunter. Dennoch verteidigen die deutschen Arbeiter mit der Verteidigung ihres Reallohns die zukünftigen Reallöhne der chinesischen Arbeiterklasse. So gesehen dient die Aussperrung von sog. Billiglöhnern, wie sie, unterstützt von den deutschen Monopolgewerkschaften, von der deutschen Linken gefordert wird, der Aufrechterhaltung der bevorzugten Stellung der Arbeiteraristokratie gegenüber dem „polnischen Klempner“, aber gleichzeitig der Verbesserung jener von „Kapital und Arbeit“ in gemeinsamer Anstrengung geschaffenen Versicherungsagenturen gegen den Klassenkampf.

Ausgehend von der Marxschen Parteilichkeit ist der sozialchauvinistischen Kirchturmpolitik, wie sie auch von Django Schins vertreten wird, die Organisierung des politischen Klassenkampfs des Weltproletariats gegen das Weltkapital entgegenzusetzen, der sich nicht nur gegen die alte Bourgeoisie mit ihrem alten, sondern auch gegen die neue Bourgeoisie, die mit ihrem neuen Faschismus aus dem Realsozialismus und den ursprünglich revolutionären nationalen Befreiungskämpfen der „Dritten Welt“ hervorgegangen ist, zu richten hat. In diesem politischen Klassenkampf bilden diese Bourgeoisien gemeinsam eine Einheitsfront gegen das Weltproletariat.

Django Schins meint dagegen immer noch seine Warnung gegen die alte Bourgeoisie ausstoßen zu müssen, sie solle ja nicht zu glauben, »sich ohne DDR und mit schwachen Gewerkschaften alles erlauben zu können«. Dabei hat er den Einfluß, den der bis an die Zähne bewaffnete Reale Sozialismus einst auf die Klassenverhältnisse in Westdeutschland ausgeübt hat, vor Augen, während er den ökonomischen Druck des westdeutschen Kapitals über die verlängerte Werkbank DDR auf den anderen Teil der deutschen Arbeiterklasse ebenso ignoriert, wie die Tatsache, daß das westdeutsche Kapital diesen moralisch-militärischen Druck auf die sozialen Verhältnisse in Westdeutschland dadurch höchst einträglich hat kompensieren können.

Nachdem diese Geschäftsgrundlage entfallen ist und weil die sich im Weltmaßstab formierenden „Gegenkräfte“ (auch »die staatlichen« s.o. U.-J. Heuer) noch relativ schwach entwickelt sind, bietet Django Schins der westdeutschen Bourgeoisie einen „historischen Kompromiß“ an, um den wild gewordenen Kapitalismus der vielen profitgierigen Einzelkapitalisten im Interesse des »Gesamtkapitalisten« durch staatliche Intervention wieder an die Leine zu legen. Dadurch würde sich Der Linken ein Zeitfenster öffnen, das sie in die Lage versetzt, der »multitude« konkrete »Alternativen« anzubieten.

Die Orientierung am Kommunismus der „Partei Marx“ liefe dagegen auf einen Kommunismus à la Pol Pot hinaus. Bei derartigen Vergleichen sollte sich der Kritiker aber besser an die eigene Nase fassen und sich z.B. die klammheimliche Freude in Erinnerung rufen, mit der die Angriffe des Djihadismus auf die Weltmacht des Kapitals seit jenem 11. September 2001 in der Linken Presse kommentiert werden. Denn dieser religiös getarnte Rassenkrieg läßt sich durchaus als die direkte Fortsetzung jenes gegen die nicht-kleinbäuerliche kampucheanischen Gesellschaft geführten sektiererischen „Klassenkriegs“ begreifen, der 2001 nur eine globale Steigerung in einem religiös getarnten Rassenkrieg gegen die ‚westliche‘ Welt erfahren hat und den die angegriffene kapitalistische Weltmacht ihrerseits nur mit einem Rassenkrieg gegen die arabische Welt zu beantworten wußte, bei dem sie vorgab, die Menschheit gegen den Djihadismus zu verteidigen. Daher gehört der 11. September und seine auf der ‚westlichen Seite‘ von der Linken genüßlich ausgeschlachteten (vermeidbaren) ethnizistischen Reaktionen des „Westens“ zu den politischen Druckmitteln, die es ihr erleichtern, mit der alten Bourgeoisie in dem von ihr angestrebten historischen Kompromiß besser ins Geschäft zu kommen. Der dafür erforderlichen Beschaffung parlamentarischer »Mehrheiten« scheint allein der Popanz des von der partei Marx »imaginierten revolutionären Proletariats als Klasse« im Wege zu stehen, durch den verhindert wird, daß das Kapital ohne „roten Terror“ in die Schranken gewiesen werden würde…

Diesen auf sanftem Wege zu erfolgenden Machtergreifungsphantasien der Neuen Bourgeoisie fehlt bezeichnenderweise jegliche Unterscheidungsfähigkeit zwischen symbolischen und wirk-lichen Klassenkämpfen, vor allem, wenn man sich den leer- und totlaufenden Symbolismus der »Gegenkräfte« in den Metropolen des ‚westlichen‘ Kapitals vor Augen führt, der, wie in alten Zeiten von durch und durch abstrakten und politisch hohl tönenden Bekenntnissen zum „Kommunismus“ begleitet wird, den die Alte Bourgeoisie aus propagandistischen Gründen für bare Münze zu nehmen vorgibt. Ob die Wirk-lichkeit einer revolutionären Massenbewegung mit der Wirk-lichkeit der gesellschaftlichen Widersprüche übereinstimmt, läßt sich wunderbar an der Linken Reaktion auf einen linken ungarischen Politiker demonstrieren, der rundheraus erklärte, daß alle Politiker lügen. Anstatt die üblicherweise zu erwartende Empörung der linken antikapitalistischen Mehrheit zu orchestrieren, wäre dieser Ausspruch eigentlich hervorragend geeignet gewesen, um die Paradoxien vorzuführen, in die sich ein Politiker innerhalb der bürgerlichen Gesellschaft befindet, und zu zeigen, daß es daraus keinen anderen Ausweg gibt als diese (kretische) Paradoxie (…daß alle Kreter lügen) zu verlassen und statt dessen den politischen Klassenkampf der Klasse der Lohnabhängigen gegen die der Bourgeoisie zwecks Verteidigung der Reallöhne vorzuschlagen, sollen die ungarischen Arbeiter nicht den Faschisten überlassen werden. Sicherlich eine Alternative, die in einem Land, das den un-wirklichen Sozialismus großrussischer Prägung noch nicht lange hinter sich hat, nicht unmittelbar einleuchten mag.

Dagegen paßt es dem Kritiker gut in den Kram, einige lang gehegte Aversionen gegen »parteidiktatorisches« Verhalten aus der „anti-stalinistischen“ Mottenkisten hervor zu kramen. Diese reichen aber wiederum nicht so weit, um sie auch der „kommunistischen“ Stasipartei Westdeutschlands teilhaftig werden zu lassen. Die »permanente Kritik an der DKP« hält er für »geschenkt«, da sich »realpolitisch« ohnehin kaum noch jemand für diese interessiere. Abgesehen davon, daß der Kritiker sich nicht die Frage stellt, warum sich die sogenannte »parteidiktatorische Variante« eigentlich »vor der Geschichte« blamiert hat, wäre es durchaus nützlich, sich darüber hinaus klarzumachen, daß Die Linke nach vergleichbaren Ereignissen wie dem 11.09. ebenso schnell zu einem Anhängsel der DKP werden könnte, wie diese momentan ein Anhängsel Der Linken ist. Aus seinen politisch vage bleibenden Überlegungen, »wie die Widersprüche der bürgerlich-kapitalistischen Gesellschaft in Zukunft – emanzipatorisch oder nicht – bearbeitet (sic!) werden« sollen, aus denen sich dann populäre »sozialistische Problemlösungskonzepte« im Sinne der Betroffenen ergeben könnten, läßt sich bei all seinem taktischen Hin und Her die gemeinsame beton-kommunistische Herkunft Der Linken und der DKP nicht verleugnen, die dem voller Inbrunst verbal hoch gelobten, aber in entgegengesetzter Stoßrichtung praktizierten Marxschen Programm ständig Hohn spricht.

Diesem inneren Widerspruch scheint sich auch der Kritiker nicht ganz entziehen zu können, wenn er resigniert feststellt, »daß alle bisherigen Ansätze „gemeinschaftlicher Produktion“ an ihrer ökonomischen Ineffizienz gescheitert« sind. Darin ist ihm ausnahmsweise zuzustimmen. Um aber die Analyse der »Hyperkomplexität gegenwärtiger moderner Gesellschaften« nicht ausschließlich den „marxistischen“ Tuis in den Geistes- und Sozialwissenschaften zu überlassen, müßte eigentlich der dem Projekt partei Marx unterstellte »Glauben an den Kommunismus« in ein Wissen verwandelt und beides mit der Strategie der Marxschen Partei verbunden werden. Solche Überlegungen werden aber von Django Schins als theologischer Geschichtsdeterminismus und als Suche nach dem Himmelreich auf Erden heruntergeputzt, was er darüber hinaus zum Anlaß nimmt, sich generell zur Rolle der Theologie in der Politik und zur politischen Theologie im allgemeinen auszulassen.

Ob der »Glauben an den zwangsläufigen Kommunismus« dem Bedürfnis „verlorener Seelen“ nach Halt im „Urgrund der Religion“ entspricht oder nicht, damit mögen sich politische Psychologen und Religionskritiker befassen. Ihnen wird Friedrich Engels‘ Anti-Dühring wenig weiterhelfen, wenn es darin heißt, daß die Religion ein Symptom gesellschaftlicher Fremdbestimmung sei, die allein der Kommunismus durch eine »gesellschaftliche Tat« beseitigen könne. (Allerdings nicht so, wie es sich die »Zukunftsgendarmen« (Engels) in der DDR vorgestellt haben, die mit der lautstark erhobenen Parole „Religion ist verboten“, die Religion dadurch nur noch stärker machten.) Folgen wir dagegen der Engelsschen Dialektik, kann es für die kapitalistische Produktionsweise eine revolutionäre oder eine reaktionäre (einfache) Negation in Form all jener faschistischen, sozialimperialistischen, ‚marxistisch-leninistischen‘ »Alternativen zum Kapitalismus« geben (wobei selbst die revolutionäre Aufhebung nicht davor gefeit ist, in eine reaktionäre Negation umzuschlagen).

Der Kritiker müßte sich außerdem grundsätzlich fragen lassen, was er sich überhaupt unter »dem Kommunismus« vorstellt? Der „Sozialismus des 21. Jahrhunderts“ gehört mit Sicherheit nicht dazu, ebensowenig wie die Verteidigung des Sozialstaats, worin er die »Voraussetzung für jeden weiteren sozialen Fortschritt« sieht – über dessen Trümmer die partei Marx angeblich auf ihrem Weg zum Kommunismus brutal hinweg schreite. Dagegen muß das Argument auf taube Ohren treffen, daß es sich bei der Errichtung jenes Sozialstaats um nichts anderes als die „Beseitigung“ der Klassengesellschaft auf bürgerlichem Wege (Bonapartismus) und die politische Entmündigung jedes potentiellen revolutionären Subjekts handelt.

Der Sozialstaat ist das Konzentrat der Erfahrungen der Bourgeoisie mit den bisherigen Klassenkämpfen bei gleichzeitig amtsärztlich verordneter Amnesie des Proletariats als revolutionärem Subjekt; er ist der zivilisierte Faschismus. Losgelöst und getrennt vom Grundwiderspruch der kapitalistischen Produktionsweise ist der Sozialstaat nur auf reaktionäre Weise zu verteidigen. Die Verteidigung des »Sozialeigentums« als »Resultat langer sozialer Kämpfe fortschrittlicher Kräfte« läuft politisch auf die Rückgewinnung der „untergegangenen Königreiche“ des Realen Sozialismus hinaus mit der sich neu formierenden anti-‘westlichen‘ Allianz im Rücken. Der linke wie der rechte Revisionismus sind im Prinzip beide vergangenheitsorientiert. Die politischen Protagonisten des linken Revisionismus können die einfache Frage nicht beantworten, wer denn hier wen bzw. wer sich von wem emanzipieren soll? Ist das Austesten der »Grenzen der Profitdominanz des Kapitalismus« so zu verstehen, daß der ‚westliche‘ Kapitalismus durch einen „anti-kapitalistischen“ Terror- und Polizeistaat ersetzt und von einem anti-‘westlichen‘ Sozialismus abgelöst werden soll?

Da die Untersuchung der wirk-lichen Klassenverhältnisse von den Propagandablasen geballter Sozialstaats-Demagogie ständig zugeschüttet wird, erübrigen sich alle weiteren Fragen nach dem Sinn derartiger Testversuche. Oder die sozialen Bewegungen müßten wirklich ihr demagogisches Sozialarbeiter-Profil ablegen, was zu hundert Prozent unwahrscheinlich ist. Letztlich ist allein vom Marxschen Kapital (und dem KM) her zu begründen, warum der Kapitalismus an den Weltmarkt gebunden und die Arbeiterklasse nur als internationales Proletariat eine revolutionäre Klasse ist, die Arbeiterklassen der westlichen Welt sich aber momentan nicht so bezeichnen lassen, weil sie noch unter der Dominanz ihrer Arbeiteraristokratie stehen. Dennoch macht auch die deutsche Arbeiterklasse objektiv einen Teil des Weltproletariats aus und dies wird auch subjektiv der Fall sein, sobald sie sich als internationale Klasse (wie das ja auch die Bourgeoisie tut) begreift.

Ganz gewiß wird die Entwicklung der deutschen Arbeiterklasse von einer Klasse an sich zur Klasse für sich weder durch eine »philosophische Setzung« am Schreibtisch noch aus den Kämpfen für den von Django Schins beschworenen Sozialstaat erfolgen; denn in beiden Fällen würde es sich dabei um ein fiktives revolutionäres Proletariat handeln. Dagegen wurde die anti-imperialistische Kulturrevolution der 60er Jahre von einem wirk-lichen revolutionären Subjekt getragen, deren tiefgreifende Umwälzungen des Überbaus der ganzen Gesellschaft bis hinauf zur Bourgeoisie sich inzwischen in ihr (sozial)faschistisches Gegenteil verwandelt haben. Dadurch ist der Rückweg zu den revolutionären Wurzeln der 2.-Juni-Bewegung abgeschnitten oder nur als Farce möglich. Diese hatte es versäumt, ihre Kulturrevolution in die, wenn auch von der Arbeiteraristokratie dominierte, Arbeiterklasse zu tragen – oder, wo ein solcher Versuch stattfand, war dieser als arbeiteraristokratischer Mummenschanz mit den bekannten aus den real-sozialistischen Lehrbüchern erborgten Klassenbegriffen und einer entsprechenden Klassenanalyse erfolgt.

Nach den Vorgaben des Kritikers muß sich dagegen die Arbeiterklasse zuerst in einen Teil der »multitude« verwandelt und an den »gesellschaftlichen Kämpfen der Gegenwart (um den Sozialstaat)« teilgenommen haben, um sich »in einem geschichtlichen Prozeß zu einem handlungsfähigen Subjekt (zu) entwickeln«, bevor sie sich irgendwann einmal aus einer Klasse an sich in die Klasse für sich verwandeln darf. Die Kulturrevolution der 60er Jahre wird also nicht mehr in die Arbeiterklasse getragen, sondern letztere hat sich in einen Teil der »multitude« zu verwandeln, um gemeinsam mit »den demokratischen Kleinbürgern« (Marx) einige Korrekturen an den Strukturen der bürgerlichen Gesellschaft anzubringen, die eilfertig von der Bourgeoisie übernommen werden, um jegliche Voraussetzungen für den politischen Klassenkampf im Keim zu ersticken. Genau darin unterscheiden sich die Parteigänger des »echten Kommunismus« von der angeblich »authentischen Linken«, deren linke Authentizität von jenen, wie es heißt, sträflich mißachtet wird. Dadurch würden diese sich aber nur selbst blockieren. Die einzigen die sich selbst blockieren, sind in Wahrheit jene »authentischen Linken« selbst, die es systematisch versäumt haben, die geschichtliche Entwicklung des Sozialismus seit 1917 auf ihre Authentizität als wirk-liche Klassenkämpfe zu untersuchen. Dies wäre ein erstes Anzeichen in Richtung einer Beseitigung der eigenen Selbstblockade gewesen und durchaus auch keine »objektiv nicht erfüllbare Bedingung«, die von der partei Marx angeblich aufgestellt wird.

In Anlehnung an den von Lenin stammenden Begriff des „imperialistischen Ökonomismus“, womit er die ausschließliche Fokussierung auf die Arbeiterinteressen unter Mißachtung z.B. der Unterdrückung der nicht-russischen Nationen durch das großrussische Zarentum kritisiert, gehört heute in der Umkehrung dieses Begriffs so etwas wie ein „ökonomistischer Politizismus“ zur Grundausstattung der Linken Partei (wenn es z.B. heißt: die Erfüllung dieser Forderung verlangen wir von „der Politik“, und man sich fragt, wer das denn sein soll?). Wer sich andererseits der aus diesem „Politizismus“ abgeleiteten »wirklichen Praxis« nicht beugt, dem wird, wie in unserem Fall, eine »kontemplative Grundstruktur des Denkens« bescheinigt.

Dieses Mißverhältnis zwischen „Theorie und Praxis“ wird in einem Exkurs zu einem Aufsatz von W.F. Haug untersucht, indem die von Haug bemühte Leninsche materialistische Erkenntnistheorie den Marxschen Feuerbachthesen gegenübergestellt wird; d.h. die rein erkenntnistheoretische Entgegensetzung des Subjekts zum zu erkennenden Gegenstand einerseits und die Marxsche Gegenthese andererseits, daß dem menschlichen Denken gegenständliche Wahrheit nur zukomme, wenn diese nicht als Frage der Theorie (Denken und Sein, Geist und Materie), sondern als praktische Frage behandelt wird. Nach Haug denken die Mensch im Sozialismus aber anders (notfalls unter Zuhilfenahme des Polizeistaats?), weil hier das »Verhältnis von materieller und ideeller Tätigkeit« von den real-sozialistischen Produktionsverhältnissen bestimmt sei. Im Haugschen Sozialismus herrscht der Materialismus der Produzierenden, im Kapitalismus dagegen der Vorrang der Idee und der Konkurrenzkämpfe der Kopfarbeiter, deren Stellung »im gesellschaftlichen System der Teilung der Arbeit« von Haug nachfolgend untersucht wird.

Dieser Dualismus von geistiger und materieller Tätigkeit ist nach den Marxschen Feuerbachthesen durch eine »“revolutionäre“, …“praktisch-kritische“ Tätigkeit« aufhebbar, für Haug dagegen nicht. Daraus resultiert seine Unfähigkeit, ein dialektisches Verhältnis zwischen „der Waffe der Kritik“ und der „Kritik der Waffen“ herzustellen. Ihm geht es vielmehr um die unmittelbar praktischen Fragen, die sich einem Philosophie-Lehrstuhl-Inhaber im Kapitalismus stellen. Daraus ergibt sich, um auf die von Django Schins eingangs gestellte Frage nach der Praxis zurückzukommen, der Konflikt zwischen dem Berufsdenker auf der einen und dem Nicht-Denker auf der anderen Seite.

Denker müssen auch essen, lautet Haugs These, die von keinem einzigen Berufsdenker falsifiziert werden wird. Dementsprechend versteht Haug, gestützt auf die Leninsche Interpretation der ersten Drei Kapitel des Marxschen Kapital diese als eine auf das »Alltagsbewußtsein« als »unmittelbarem Bewußtsein« zielende ökonomistische Märchenerzählung, worin Methode und Problemstellung des Kapital in äußerst versimpelter Form dargestellt werden, was den Intentionen der damaligen westdeutschen Linken dabei wahrscheinlich sehr entgegengekommen sein muß, um ihre Kapital-Interpretationen von der gesellschaftlichen und politischen Wirklichkeit in Deutschland abzukoppeln. Für Haug wird Marx zu einem Vorläufer der Leninschen Widerspiegelungstheorie. Dieser Nachweis gelingt ihm aber nur, weil er Marx zum Kantischen Idealisten stempelt und vollmundig erklärt, daß dadurch »der Anspruch dialektisch-materialistischer Erkenntnistheorie im Hauptwerk von Marx eingelöst« sei.

Daß die Widerspiegelungstheorie aber der 1. Feuerbachthese (s.o.) diametral entgegengesetzt ist, kümmert Haug weniger. Seine praktische Erkenntnistheorie lautet: »Indem die Erkenntnistheorie von der Notwendigkeit der Erkenntnis und den notwendigen Anstrengungen ausgeht, fördert sie die Produktivität, ermutigt zur Aktivität.« Denn der objektive Idealist (Lenin) verlegt die Erkenntnis in die Realität der Sache selbst. Dieser linke Pragmatismus hat mit der Identität von erkennendem Subjekt und revolutionärer Tätigkeit nichts mehr zu tun. Übrig bleibt dann noch die Klärung der »Gebrauchsweisen« der Dinge, um vom »Standpunkt des gesellschaftlichen Lebensprozesses an die Sache« heranzugehen. Das Verhältnis Mensch – Natur läuft darauf hinaus, daß zur Produktion von Lebensmitteln die Natur erkannt werden muß. Wenn dagegen das Denken als erstes gesetzt werde, wird es unwahr und dient allein den Ausbeuterklassen.

Ergo: Nur, wenn der Kopfarbeiter seine materielle Unselbständigkeit erkennt und sein Denken »…der Gesellschaft der Produzenten gemäß ist«, wird das menschenmögliche Maß an Freiheit des Denkens (= Wahrheit) prinzipiell erreichbar sein. (Sonst nicht?)

Die Frage ist nur, ob diese Formel für Marxisten innerhalb des ‚westlichen‘ Kapitalismus ebenso gültig ist wie für Gesellschaften, die sich zum Schein als Gesellschaft der Produzenten ausgeben, in Wahrheit aber eine Diktatur über die Produzenten hergestellt haben. Die durch einen solchen Vergleich zutage tretende Wahrheit besitzt, wie die Geschichte zeigt, eine noch geringere Halbwertzeit als die „ewigen Wahrheiten“, die von dafür bezahlten Ideologen gewöhnlich für die bürgerliche Gesellschaft produziert werden.

Im Gegensatz zum jungen Marx scheint der von Haug zitierte Lenin mit Feuerbach durchaus noch nicht „fertig“ zu sein, sondern einem subjektiven Materialismus bzw. einem vulgär-materialistischen Praxisbegriff anzuhängen. Das Materialistische an der Leninschen Erkenntnistheorie bestehe darin, daß sie »der Aneignung der ideellen Produktion durch die materiellen Produzenten« entgegenkomme. Diese Definition hat mit den tatsächlichen im Realen Sozialismus wirksam gewesenen Widersprüchen leider nicht das geringste zu tun. Haugs Anspruch an die materialistische Dialektik, »Ausdruck und Mittel der Praxis der gesellschaftlichen Menschheit« zu sein, erweist sich auch nachträglich noch als der blanke Hohn, weil diese letztlich nur als Vehikel der System-Auseinandersetzung gedient hat.

Angesichts dieses Mißverhältnisses sollte Haug mit seiner Kritik an der Zitierwut der westeuropäischen Linken und als vorgeblicher Verteidiger der „Klassiker des Marxismus“ aus seinem Glashaus heraus nicht mit Steinen schmeißen. Das hat er mit seiner krassen Fehlinterpretation der Marxschen Feuerbachthesen bereits unter Beweis gestellt. Nicht zuletzt waren es die Tuis des Realen Sozialismus, die es meisterlich verstanden haben, jeden Kritiker mit eine Überfülle an „Klassiker-Zitaten“ einzuseifen. Dummerweise hat sich in der von ihnen viel beschworenen „Praxis“ gezeigt, daß einem Sozialismus, der seine Kanonen gegen die unmittelbaren Produzenten richtet, um die Privilegien seiner neuen Bourgeoisie gegen dieselben zu verteidigen, auch die aller schönste „marxistische“ Zitatesammlung nicht aus dem Schlamassel hilft, zumal Ansicht, Auffassung und Methode der Begründer des Kommunismus der großen Lüge des Realen Sozialismus ihrem ganzen Wesen nach widersprechen.

Abschließend wäre erneut zu fragen, ob die Intentionen der Anti-Globalisierungsbewegung bei näherer Betrachtung nicht viel eher als eine Antwort der „marxistischen“ Linken auf die (klein)bürgerliche, anti-“kommunistische“ Kritik der Masse der Bevölkerung Osteuropas am Realen Sozialismus mit dem Ziel seiner nachträglichen Ehrenrettung zu interpretieren sind, um die Restbestände einer historisch dem Untergang geweihten faschistoiden und in sich selbst erstarrten reaktionären Form des Sozialismus am Leben zu erhalten – wo auch immer und koste es, was es wolle?! (Exkurs Ende)

Diesen Widerspruch versucht Django Schins dadurch zu lösen, daß er überhaupt in Frage stellt, daß die bürgerliche Gesellschaft nach den von Marx systematisch entwickelten Gesetzmäßigkeiten funktioniert bzw. damit auf Dauer gerade nicht funktionieren kann. Denn, so der Kritiker, wer an das Vorhandensein solcher Gesetze glaube, sei ein Metaphysiker. Dieser Gesetzes-Skeptizismus verträgt sich ganz hervorragend mit Haugs erkenntnistheoretischem Utilitarismus.

Mit dem »gegebenen Menschen«, auf den es statt dessen ankomme, landet Django Schins zwangsläufig beim abstrakten Menschen. Die Aufgabe der partei Marx besteht dagegen, ausgehend von der »“revolutionäre(n)“, …“praktisch-kritische(n)“ Tätigkeit« (Feuerbachthesen) darin, die Umschlagpunkte in den Widersprüchen der gegebenen Gesellschaft ausfindig zu machen, die bisherigen Klassenkämpfe einer kritischen Analyse zu unterziehen und das ganze in der revolutionären Öffentlichkeit zu verbreiten.

Die von Django Schins bevorzugte Vorgehensweise läuft statt dessen auf einige Merksätze aus den Sozialwissenschaften hinaus („Druck erzeugt Gegendruck“), von denen ausgehend es aber nicht möglich sein soll, das vom modernen Sozialstaat des Kapitals freigesetzte Prekariat vom Proletariat zu unterscheiden. Dieselbe Skepsis, die er gegenüber dem vom Kapitalismus erzeugten Proletariat (dabei handelt es sich um die »Kopfgeburt« eines blutleeren Philosophen) meint sich vorbehalten zu müssen, wendet er seltsamerweise auf jenes hochgelobte Prekariat mit folgendem absurden Vergleich gerade nicht an: »Die Globalisierungskritiker (GK) haben mit ihren Massenprotesten die WTO immerhin in eine Krise gestürzt. Kennst du eine Arbeiterklasse, die das geschafft hat?«

Abgesehen davon, daß diese Bewegungen eine wichtige Frühwarn-Funktion für die Bourgeoisie darstellen, die ihr dazu verhilft, ihr System an die zunehmenden Widersprüche innerhalb der kapitalistischen Produktionsweise anzupassen, wären die Führer dieser Bewegungen vor allem dahingehend zu kritisieren, daß sie ihre politischen Karten nicht offen auf den Tisch legen und sich offen zu ihren politischen Zielen bekennen, anstatt diese durch bürgerlich-demokratische Phrasen zu kaschieren. Auf der anderen Seite muß keiner wirk-lichen Massenbewegung der Kommunismus als Ziel vorgeschrieben werden.

Die heutige Linke tut aber mit ihrer „demokratischen“ Heuchelei so als wäre für sie der „Kommunismus“ eine Sache der Vergangenheit und die Ziele der Massenproteste mit den ihren hundertprozentig deckungsgleich. Die Marxschen Kommunisten »haben theoretisch«, wie es im KM heißt, »die Einsicht in die Bedingungen, den Gang und die allgemeinen Resultate der proletarischen Bewegung voraus«. Ohne jeglichen Funken der Kritik liest sich die Propaganda Der Linken gegenüber den von ihr hoch gelobten Massenproteste dagegen wie Frontberichterstattung.

Die Formulierung in »Ein Gespenst geht um in Europa…« vom »Weltkrisenmanagement, dem die Linke wie Versicherungsvertreter« hinterher haste, ist nur darin ergänzungsbedürftig geworden, daß sich inzwischen auch Teile des US-Establishments an diese Bewegung angehängt haben. Das aber bestätigt die Vermutung, daß Die Linke darin ebenfalls ihre eigenen Ziele verfolgt. Nur mit denjenigen Protesten, die in wirk-liche Massenbewegungen umschlagen, ist eine Revolution zu machen. Django Schins‘ »real existierende kapitalismuskritische Subjekte der Veränderung« werden sich dagegen als Phantom erweisen.

Übrig bleibt der Hiatus zwischen Theorie und Praxis, der bei dem Kritiker und dem von diesem bemühten W.F. Haug weit auseinander klafft, da »die Bedeutung der „revolutionären“, der „praktisch kritischen“ Tätigkeit« von beiden ignoriert oder nicht verstanden und aus den Feuerbachthesen eine vulgär-materialistische Erkenntnistheorie zusammengeschustert wird. Ein Abfallprodukt dieser Denkweise ist die Verunglimpfung der gegen jegliche linke Heuchelei gerichteten Dissidenz der partei Marx ganz im Stil und in der Nachfolge dessen, was unter Stalin und Breshnew als pathologische Entartung der Kritik entsprechend „behandelt“ wurde.

Solange der Kritiker der partei Marx in dieser Denkweise befangen bleibt, wird er aus dem Gegenstand seiner Kritik auch nichts lernen.

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Über Uwe-Jens Heuer: Marxismus und Politik »

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Inhalt

In seinem Buch Marxismus und Politik geht Uwe-Jens Heuer von der Trennung zwischen Marx, dem Ökonomen und Marx, dem „Marxisten“ aus. Diese mündet in die These, daß eine »konsistente Gesamttheorie der Politik, die der Wissenschaft der politischen Ökonomie des Kapitalismus gleichwertig zur Seite gestellt werden« kann, nicht vorliege. Mit einer derart fragwürdigen Feststellung müßte die revolutionäre Strategie der „Partei Marx“ zur Politologie verkümmern und aus Marx ein bürgerlicher Ökonom werden. Bereits von Rosa Luxemburg war der Marx von 1848 zu einem »radikalen Demokraten« herabgestuft worden, der sich erst danach zum „Marxisten“ gemausert habe. (STREITPUNKT 2 Lenin und der Kampf gegen den linken Sozialimperialismus, 55)

Ähnlich der Autor dieses Buches, der bei Marx zwischen der politischen und der sozialen Revolution einen Bruch festzustellen meint. Da muß die Frage gestattet sein, wie es kommt, daß dieser »radikale Demokrat« (ebenda) unmittelbar vor 1848 das Manifest der kommunistischen Partei verfaßt hat, worin dem kleinbürgerlichen Antikapitalismus der politische Klassenkampf des Proletariats gegenübergestellt wird?

Zur Bestätigung seiner These verweist d.A. auf Marxens Kritik an einem Aufsatz Arnold Ruges zum Schlesischen Weberaufstand 1844, worin letzterer diesen vom Standpunkt eines radikalen Demokraten analysiert. Während Marx die weltpolitische Bedeutung dieses Aufstands als politischen Klassenkampf (avant la lettre) hervorhebt, beschränkt sich Ruge auf eine Kritik an der Unfähigkeit der preußischen Monarchie, die Armenpflege besser zu organisieren. Zu Ruges kleinbürgerlichem Staatsverständnis schreibt Marx: Bereits die Große Französische Revolution habe die »heillose Isolierung des französischen Bürgers vom Gemeinwesen« nicht aufzuheben vermocht. Diese beruhe auf der Trennung des Arbeiters vom politischen Gemeinwesen, die »unverhältnismäßig allseitiger, unerträglicher, fürchterlicher und widerspruchsvoller« sei »als die Isolierung vom politischen Gemeinwesen«. Dementsprechend sei auch die Aufhebung dieser Isolierung »um soviel unendlicher, wie der Mensch unendlicher ist als der Staatsbürger« bzw. wie das menschliche Leben unendlicher ist als das politische Leben. Daher besitze der schlesische Aufstand eine universelle Seele, während sich hinter den politischen Aufständen der Vergangenheit, mochten sie auch noch so universell daherkommen, der engstirnige Geist in seiner »kolossalsten Form« verberge.

In dieser Gegenüberstellung werden von Marx der links-hegelianische Universalismus und der Feuerbachsche Humanismus nicht einfach negiert, sondern der darin verborgene soziale Antagonismus von innen nach außen gestülpt, dessen politische Form in den politischen Klassenkampf mündet, in dem das »wahre Gemeinwesen des Menschen«, von dem der Arbeiter »durch seine Arbeit isoliert« ist, als Sozialismus zum Vorschein kommt.

Damit stellt sich die angebliche Trennung des »radikalen Demokraten« vom „marxistischen“ Ökonomen als „marxistisches“ Phantasma heraus, dessen ökonomistischer Politizismus von Arnold Ruge auf die Formel gebracht wird, daß eine »Sozialrevolution ohne politische Seele (d.h. ohne die organisierende Einheit vom Standpunkt des Ganzen aus)« unmöglich sei. Eine soziale Revolution mit einer politischen Seele stellt sich für Marx entweder als »zusammengesetzter Unsinn« dar oder beinhalte die banale Erkenntnis, daß jede Revolution, die die alte Gesellschaft umstürzt, per se politisch sei. So unsinnig aber eine soziale Revolution mit einer politischen Seele, »ebenso vernünftig ist eine politische Revolution mit einer sozialen Seele«. In dieser Umstülpung ist bereits im Kern die Marxsche Position zur Revolution von 1848 vorweggenommen, während sich der von Uwe-Jens Heuer gekennzeichnete Weg »vom radikalen Demokraten zum revolutionären Sozialisten« als der direkte Weg zurück zu Arnold Ruge herausstellt.

Die enge Verwandtschaft zwischen Ruges und Heuers Verständnis von der sozialen Revolution zeigt sich auch in der Anwendung der Rugeschen Formel auf die Oktoberrevolution. Dabei stellt Heuer die These auf, daß es dieser nicht gelungen sei, ihre politische Hülle abzuwerfen, ohne daß sich in Erfahrung bringen läßt, worin denn deren soziale Seele bestanden hat. Ohne Klarheit darüber bleibt aber die Frage offen, ob der Sturz der Provisorischen Regierung durch die Bolschewiki im Oktober nur ein Mittel zum Zweck »der politisch einflußreichen Klassen (war), ihre Isolierung vom Staatswesen und von der Herrschaft aufzuheben« oder ob die Trennung der Arbeiter und Bauern vom »wahre(n) Gemeinwesen des Menschen« dadurch tatsächlich beseitigt werden konnte? (Marx, s.o.)

Bekanntlich ist die Oktoberrevolution nicht am Gegensatz Individuum-Staat, sondern an einem Staat gewordenen Individuum als personifizierter Konterrevolution gescheitert. Solange d.A. sich dieser Einsicht verschließt, sind seine Worte des Bedauerns darüber wohlfeil. Seine Formel von der rechtzeitigen Sprengung der politischen Hülle erweist sich als unzureichend und sein Sozialismus als ein Sozialismus ohne Proletariat und Klassenkampf. Deshalb klammert er sich verzweifelt an der »Staatswerdung der sozialistischen Bewegung« und an Bakunin fest, dessen Ansicht er darin teilt, daß die Selbstregierung von damals 40 Millionen Deutschen nicht zu realisieren gewesen sei, was Marx in Abrede stellte, indem er Bakunin darauf hinweist, was dieser sich offenbar nicht vorstellen könne, daß es in einer Arbeiter-Kooperativ-Fabrik lediglich des Einsatzes einiger fähiger Manager bedarf, um dieses Problem „von unten“ zu lösen. Die gleiche revolutionäre Phantasielosigkeit meint Friedrich Engels im Staatsverständnis der alten Sozialdemokratie erkannt zu haben, die er auf deren »Aberglauben in den Staat« zurückführt.

Dieser Aberglaube kann allerdings, wie d.A. seinen Lesern ad hominem vorexerziert, auch in das entgegengesetzte Extrem umschlagen; so z.B. in seiner Aussage, daß, »wenn die Verhältnisse grundlegend verändert werden sollen«, es »dazu eines Umsturzes der Eigentumsverhältnisse« bedarf, was exakt mit der Formel Arnold Ruges übereinstimmt. Dementsprechend wird der „Marxismus“ zu einem Vademecum für an der politischen Macht nicht ausreichend beteiligte umsturzwillige Klassen oder Cliquen der bürgerlichen Gesellschaft. Solch ein »Umsturz der Eigentumsverhältnisse« muß aber durchaus nicht nur von „links“ erfolgen. Ebenso eröffnet das Anstellen von Denkmöglichkeiten über »andere Gesellschaftsordnungen« durch Heuer viele Möglichkeiten »sozialistischer Staatswerdungen« von Kuba, Zimbabwe, Syrien bis nach Nord-Korea. Auch heutigen »radikalen Demokraten« geht es nicht allein um ihr Getrenntheitsein vom bürgerlichen Staat und den bestehenden Eigentumsverhältnissen; ihnen geht es ja mindestens ebenso darum, »den Ausgebeuteten (zu) helfen, ihre Lage zu verändern«.

Exakt in diesem Sinne wird das Marxsche Hauptwerk vom Autor darauf reduziert, daß darin die »Naturgesetzlichkeit des Kapitalismus« aufgedeckt werde. Dadurch sei das Politische als Beweger der Weltgeschichte entthront worden. Angesichts des Bestehens dieser »Naturgesetzlichkeit« habe bereits der junge Engels in Umrisse zu einer Kritik der Nationalökonomie zu bedenken gegeben, daß die Gesetze der Konkurrenz genauso wie die Gesetze der Schwerkraft wirken, weil die einzelnen Kapitalisten nicht in der Lage sind, diese in den Griff zu bekommen, woraus zwangsläufig Krisen und Revolutionen folgen müssen. Diese »Naturgesetzlichkeit« wird von Uwe-Jens Heuer aber derart verabsolutiert, daß die von Engels festgestellte Paradoxie, daß die Gesetze der Konkurrenz zwar wie Naturgesetze wirken, aber keine Naturgesetze sind, verschwindet. Dadurch wird die Möglichkeit, diese vom Menschen gemachten Gesetze, die im Gegensatz zu den Naturgesetzen von diesem auch wieder beseitigt werden können, geleugnet, ebenso wie in der Formel Arnold Ruges die Beseitigung der Trennung des Arbeiters vom Gemeinwesen der Menschen nicht vorgesehen ist.

In der von Heuer hypostasierten »Naturgesetzlichkeit des Kapitalismus« werden die Menschen zu Marionetten unverstandener höherer politischer Kräfte degradiert, auf die sie keinen Einfluß haben und entsprechend manipuliert werden können. Die Quintessenz des ganzen Marxschen Kapital bezeichnet d.A. wegen der angeblichen »Unausweichlichkeit« dieser »Naturgesetzlichkeit« als »naturgesetzliche(n) Gesamtprozeß«. Die Logik dieser technokratischen Betrachtungsweise läuft zwangsläufig auf die Möglichkeiten des Abschaltens dieses Prozesses bzw. auf den Ausstieg aus demselben und das Umsteigen in den Sozialismus hinaus. Vorstellungen, in denen weder ein revolutionäres Subjekt noch der politische Klassenkampf im Marxschen Sinn existieren. Ein solches aus der »Staatswerdung der sozialistischen Bewegung« hervorgehendes Staatsmonster bedarf, Uwe-Jens Heuers Überlegung zu Ende gedacht, als Schöpfer solch einer Apparatur eines Demiurgen, um dieses Staatsmonster in die Welt zu setzen. Dessen Schöpfungsakt bestünde dann in einer Art ursprünglicher Akkumulation, die in ihrer »Janusköpfigkeit« zivilisatorischen Fortschritt und Barbarei in sich vereint, wobei letztere von d.A. als unvermeidlich angesehen wird, wenn die Menschheit auch in Zukunft vorwärtskommen will. Begründung: der Kapitalismus wird mit Hilfe der gleichen außerökonomischen Gewalt, mit der er vor 500 Jahren bei der Enteignung der bäuerlichen Privatproduzenten angetreten ist, selbst aus der Welt geschafft werden. Genau so wird sich auch der »Ausbruch aus dem „naturgesetzlichen“ Gesamtprozeß des Kapitalismus« im Staat gewordenen Sozialismus manifestieren. Die »barbarische Seite der sozialistischen Produktionsweise« erweist sich als ebenso unvermeidlich wie vor 500 Jahren. Auf diesen Zusammenhang wurde bereits von dem sowjetischen Ökonomen Preobraženskij in den 20er Jahren hingewiesen, den dieser direkt aus dem Marxschen Wertgesetz ableitet und zugleich damit die theoretische Begründung für die Vernichtung der russischen Bauern als Klasse liefert. (vgl. DEBATTE 3 Wertgesetz und Sozialismus)

Wie nicht anders zu erwarten, läßt sich hieraus auch das klassische Argument herholen, das da lautet: daß ohne die Vergewaltigung der Bauern und ihres bäuerlichen Kommunismus es dem Sowjetstaat unmöglich hätte gelingen können, dem Hitlerschen Vernichtungskrieg zu widerstehen. Die in diesem Argument beschworene angebliche Alternativlosigkeit der darin zutage tretenden Staats-Barbarei gegen das russische Volk und die die Völker der Sowjetunion rechtfertigt Uwe-Jens Heuer mit Bertolt Brecht: »Es müssen jene Diktatoren unterstützt und ertragen werden, welche gegen diese Zustände ökonomischer Art vorgehen. Das sind nämlich jene Diktatoren, die ihre eigene Wurzel ausreißen.« Bis zu dieser Zeile ließe sich der Brechtschen Dialektik vielleicht noch folgen. Dann aber heißt wortwörtlich wie schon bei Preobraženskij: »Ohne Unterdrückung jener Bauernmassen, welche den Aufbau einer mächtigen Industrie in Rußland nicht unterstützen wollten, kann nicht ein Zustand eintreten, d.h. geschaffen werden, in dem Diktatoren überflüssig werden.«

Schade, daß dem überaus dialektischen B.B. nicht einfiel, daß mit der Vernichtung der Bauern als Klasse nicht die Diktatur, sondern die Revolution ihre eigenen Wurzeln ausgerissen und sie sich dabei eigentlich erst von Diktatoren abhängig gemacht hat, die diese Wurzel bei sich selbst nicht auszureißen brauchten, weil sie nie eine solche hatten. Durch diese geniale Kombination von Sozialismus und Barbarei ist der Kommunismus für die Ausbeuter und Unterdrücker kein Schreckgespenst mehr. Ganz anders für die Verdammten dieser Erde, für die das genaue Gegenteil zutrifft.

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Warum Lenins „letzter Kampf” gegen den linken Sozialimperialismus nicht zu gewinnen war »

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Inhalt

In diesem Streitpunkt wird von Moshe Lewins Hypothese ausgegangen, daß die spätere Sowjetunion anders ausgesehen hätte, wenn Lenin im März 1923 nicht endgültig aus dem Gefecht geschieden wäre, sodaß Stalin langfristig den Sieg davontragen konnte. Letzterer hatte anläßlich der zum Jahreswechsel 1922/23 bevorstehenden Gründung der UdSSR dafür gesorgt, daß Georgien nur als Teil eines eigens zu gründenden transkaukasischen Staatenbundes der Union beitreten sollte, während Lenin gegenüber der von Stalin geführten Fraktion linker Sozialimperialisten schließlich zu der Auffassung gelangt war, daß der Beitritt Georgiens in die Föderation souveräner Sowjetrepubliken nur als einzelner Gliedstaat der Union erfolgen durfte. In diesem Kampf zwischen Stalins großrussischem Zentralismus, der hinter seinen „Autonomisierung“svorschlägen steckte und dem von Lenin verteidigten Selbstbestimmungsrecht der Nationen – und damit der Voraussetzunn des proletarischen Internationalismus – wurde auch die Nachfolgefrage entschieden, für deren „Lösung“ Stalin mehr als 10 Jahre benötigen sollte, um sich sowohl gegen seinen unmittelbaren Konkurrenten Trotzki als auch seine bisherigen Verbündeten Sinowjew, Bucharin e.a. endgültig durchzusetzen.

Mit der Liquidierung des von Lenin verteidigten Selbstbestimmungsrechts der Nation wurden die Ergebnisse der Oktoberrevolution schrittweise von „links“ revidiert und (nach dem 1934 durch den Mord an Kirow ausgelösten Putsch Stalins gegen das ZK) die junge Sowjetunion auf den abschüssigen Pfad eines sozialistisch maskierten neuen moskowitischen Zarentums getrieben. Damit bekamen die von Marx und Engels ausgesprochenen Warnungen vor den Weltherrschaftsambitionen des alten Zarentums eine ungeahnte Aktualität, die durch Stalins Kritik an Friedrich Engels‘ Aufsatz über Die auswärtige Politik des russischen Zarentums bestätigt wurde. So gesehen erweist sich der Widerstand von seiten des linken Sozialimperialismus gegen Lenins Verteidigung des Selbstbestimmungsrechts der Nation zugleich als die Fortsetzung des Kampfes des kleinbürgerlichen Antikapitalismus Proudhons, Bakunins, Luxemburgs und schließlich Stalins gegen die „Partei Marx“, der sich der „Marxist“ Lenin ideell zugehörig betrachtete. In der Stalinschen Sowjetunion verschmolzen der kleinbürgerliche Antikapitalismus und der großrussische Hegemonismus schließlich zu einem alle bisherigen Vorstellungen der Marx-Parteigänger übersteigenden Konglomerat aus zaristischen Weltherrschaftsstrategie und sozialer Demagogie.

Daher wird zunächst der Stellenwert des proletarischen Internationalismus innerhalb der Strategie der „Partei Marx“ ausgehend von einem Vergleich des Marxschen Entfremdungsbegriffs mit Fichtes Überlegungen zur Überwindung der „gallischen“ Fremdherrschaft über die deutsche Nation zu überprüfen sein. Nach der Ansicht von Marx mußte die deutsche Emanzipation nicht in den teutonischen Urwäldern, sondern im Krieg gegen die deutschen Zustände gesucht werden, wozu auch der Kampf gegen die von den europäischen Großmächten nach ihrem Sieg über Napoleon auf dem Wiener Kongreß 1815 vollzogene Zersplitterung der historischen Nationen Europas in der Revolution von 1848 gehörte.

Diese Verbindung der sozialen mit der politischen Revolution stieß in der aufkommenden Arbeiterbewegung von seiten des „linken“ Antinationalismus auf erbitterten Widerstand, von dessen Hauptvertretern die soziale Revolution gegen die politische Revolution ausgespielt und verabsolutiert wurde. Darin zeigte sich, daß die Verfechter des radikalen Gleichheitskommunismus die Fichtesche Verabsolutierung des Deutschseins in ihren eigenen Köpfen noch nicht überwunden hatten. Das geschah zum ersten Mal in der im Manifest der kommunistischen Partei (KM) geübten Kritik an der Verabsolutierung der politischen Revolution durch das deutsche revolutionäre Kleinbürgertum (das zu jener Zeit als neuesten politischen Schrei den Sozialismus für sich entdeckt hatte) und an dessen gleichzeitig bewiesener politischer Unfähigkeit, die mit dem „Schmettern des gallischen Hahns“ eröffneten politischen Revolutionen gegen die europäischen Feudalmächte und gegen die mit diesen verbündete reaktionäre Bourgeoisie radikal zu Ende zu führen. Daher war nur das Proletariat bereit und in der Lage, die Aufhebung des Fichteschen Entfremdungszusammenhangs und die des entfremdeten Proletarierdaseins mit einem Schlag durchzusetzen und zu Ende zu führen, wozu eine Permananzerklärung der Revolution erforderlich war.

Diese Auseinandersetzung mußte mit wechselnden Gegnern Jahr für Jahr von der „Partei Marx“ immer wieder durchgefochten werden. So in der Grußadresse, die Marx 1880 an den Arbeiterkongreß in Genf gerichtet hatte, worin der Befreiungskampf der Polen gegen das russische Zarentum als integraler Bestandteil der Strategie der Internationalen Arbeiterassoziation gewürdigt wird. Nicht zufällig habe, wie Marx bemerkt, die Gründung der Internationale im Jahr des polnischen Aufstands 1864 stattgefunden und nicht zufällig habe die Pariser Commune 1871 in den polnischen Flüchtlingen ihre aufrichtigsten Verteidiger gefunden. Außerdem hätten sich die Revolution in Deutschland und die polnische Unabhängigkeit mit der Fortexistenz des unter der moskowitischen Hegemonie stehenden Staats der Hohenzollern (Preußen) als unvereinbar erwiesen. In diesem Kampf kam es nach Marx und Engels darauf an, daß die europäischen Arbeiterparteien nicht auf die wachsende Ausbreitung des Panslawismus, gegen den, wie es schien, sich nur die polnischen Revolutionäre als immun erwiesen, hereinfielen.

Auch bei Kautsky findet sich die Tendenz, die Klassenwidersprüche gegenüber dem ins östliche Mitteleuropa eindringenden deutschen Kapital zu ethnisieren und die tschechische Bourgeoisie als Verbündete des Proletariats zu idealisieren. Auf dem entgegengesetzten Extrem geht Rosa Luxemburg so weit, jegliche Forderung nach Wiederherstellung der polnischen Staatlichkeit im Programm der polnischen Arbeiterpartei strikt abzulehnen, wobei sie ihre Differenz zur Position der „Partei Marx“ abzumildern sucht, indem sie den Marx von 1848 in einen bürgerlichen Demokraten einschrumpft. Letzten Endes wiederholte sich hier der Konflikt zwischen der Marxschen Partei und den absoluten Gleichheitskommunisten, wenn Rosa Luxemburg die Wiederherstellung Polens zu einem »Dogma des Sozialismus« erklärte.

Mit ihrer unverhüllten Distanzierung von Marx und Engels wurde Rosa Luxemburg keineswegs zufällig beim rechten, sozialchauvinistischen Parteiflügel der SPD Mitte der 90er Jahre zu einer gesuchten Gesprächspartnerin. Dessen Vertreter wußten die Annexion Elsaß-Lothringens mit der großdeutschen Polen-Politik und Luxemburgs strikter Ablehnung jeglichen polnischen Patriotismus, die sie mit ihr teilten, geschickt zu kombinieren. Auf dem Kongreß der II. Internationale 1896 in London reichte es bei Kautsky dann auch nur noch zu einer matten „Sympathieerklärung“ für die unterdrückten Nationen von Irland bis Polen, während sich seiner Ansicht nach Engels‘ Theorie vom Panslawismus als »Weltherschaftsschwindel« endgültig überlebt hatte. Rosa Luxemburg erklärte ihrerseits die o.g. Marxsche Grußadresse von 1880 an den Arbeiterkongreß in Genf zum Gedenken an den polnischen Aufstand von 1830 für eindeutig veraltet und mit dem »Wesen des Marxismus« für unvereinbar. Die Verschmelzung Polens mit dem zaristischen Imperium sei inzwischen eine vollendete Tatsache, die nicht nur im Interesse der polnischen Bourgeoisie, sondern auch dem des Proletariats liege. Was die Wiederherstellung Polens betraf, würde sich diese auf die Verteidigung der »national-kulturellen Identität« des Polentums beschränken können.

Die in dieser Formel vorgenommene Ersetzung des Selbstbestimmungsrechts der Nation durch ethnizistischen Sozialkitsch war zugleich die Geburtsstunde des „linken Sozialimperialismus“, der bis zum heutigen Tag an der von Marx und Engels bekämpften „reinen“ proletarischen Revolution festhält und regelmäßig in „linken“ Ethnizismus umschlägt. Lenin hatte sich damit während des Ersten Weltkriegs innerhalb seiner Partei und mit der europäischen Linken herumzuschlagen. Eine Auseinandersetzung, die bereits 1903 in der Programmdebatte der SDAPR eine Rolle spielte, weil Lenin die Verabsolutierung der Ablehnung der Wiederherstellung Polens, wie sie von Rosa Luxemburg vertreten wurde, nicht teilte, was zur Beendigung des Vereinigungsversuchs der polnischen und russischen Sozialdemokratie führte. Auf der anderen Seite waren Lenins Konzessionen an Luxemburgs „reinen“ Arbeiterstandpunkt aber doch so weitgehend, daß die Forderung nach dem Selbstbestimmungsrecht der vom großrussischen Imperium unterdrückten Nationen im Programm der SDAPR nur als die Ausnahme von der Regel erscheint. Das bedeutete, daß sich diese Frage mit dem Sturz der Bourgeoisie durch das Proletariat in Verbindung mit dessen proletarischem Internationalismus von selbst erledigen, bzw. die nationale Spaltung der russischen Arbeiterklasse durch den innerparteilichen demokratischen Zentralismus überwunden werde. Der von Engels verwendete Begriff der »historischen Nationen« fand bei den Bolschewiki für die vom großrussischen Zarentum eingesammelten Nationen folglich keine Anwendung. Statt dessen ist bei Lenin nur von einem abstrakten »Demokratismus«, für den gleichermaßen abstrakte Massen kämpfen, die Rede.

Fazit: die entscheidende Bedeutung, die die sog. „nationale Frage“ in der Strategie der Marxschen Partei in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts eingenommen hatte, fand im Programm der Bolschewiki vor dem Ersten Weltkrieg keine Fortsetzung, was der inneren Verfaßtheit des großrussischen Zarenreiches in keiner Weise entsprach. Rosa Luxemburgs ethnizistischer Sozialkitsch wurde durch Lenins abstrakten »Demokratismus« ergänzt, aber nicht überwunden.

Die Einheit des Deutschseins, die Fichte in den teutonischen Urwäldern sucht, setzt bei der Überwindung der nationalen Entfremdung der russischen Proletarier voneinander nach wie vor die reaktionäre Einheit des großrussischen Imperiums voraus, die zur Verwirklichung des proletarischen Internationalismus eigentlich hätte zerstört werden müssen, um auf revolutionärer Grundlage wieder errichtet zu werden, während nach Lenin die nationale Entfremdung der Proletarier voneinander durch den demokratischen Zentralismus innerhalb der Partei überwunden werden konnte. Dieses Konzept lief im Prinzip auf eine Verschmelzung der politischen mit der sozialen Revolution hinaus, die Lenin aber eigentlich nicht hatte wünschen können, was ihn in der Folgezeit bei seiner Auseinandersetzung mit dem „linken Sozialimperialismus“ über die „Nationale Frage“ vor große Probleme stellte.

(Vgl. die Zusammenfassung im letzten Kapitel des Textes)

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Die russische Bauerngemeinde und Westeuropa »

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Inhalt

In einem ersten Versuch zur Bestimmung der Wendepunkte, die in den Klassenkämpfen seit dem Manifest der kommunistischen Partei (KM) eingetreten sind, soll die Positionsänderung, die Marx in den 70er Jahren des 19. Jahrhunderts in der Einschätzung der Rolle der russischen Dorfgemeinde vollzogen hat, analysiert werden. Diese Positionsänderung wird in Briefen an die Redaktion einer russischen Zeitschrift und an eine russische Revolutionärin deutlich, die erst nach seinem Tod veröffentlicht wurden.
In der revolutionären Strategie von Marx und Engels hatten die russischen Bauern bis dahin eher die Rolle eines bewußtlosen Werkzeugs der Außenpolitik des russischen Zarentums eingenommen, das von außen auf die Klassenkämpfe in Westeuropa Einfluß zu nehmen suchte, um im Zusammenspiel mit den europäischen Großmächten, bestochenen deutschen Territorialfürsten und einzelnen Vertretern der deutschen Linken den kontinentalen Status quo aufrechtzuerhalten.
Mit der sog. Bauernemanzipation des Jahres 1861 hatte sich diese Konstellation schlagartig verändert und Marx veranlaßt, sich intensiver mit den Verhältnissen in Rußland zu befassen. Dabei mußte er auch in seiner bisherigen Einschätzung des archaischen Kommunismus der Dorfgemeinde, der von der russischen linken Opposition dem dekadenten Westen als revolutionäre Alternative entgegengehalten wurde, eine Neubewertung vornehmen.
Im Vorwort zur Neuübersetzung des KM wird daher die Frage gestellt, ob das russische Gemeineigentum am Boden zum Ausgangspunkt einer kommunistischen Entwicklung in Rußland werden könne. In einem solchen Fall wäre das bisherige Hinterland der europäischen Konterrevolution zum Vorreiter der Weltrevolution geworden. Die Anfrage einer frisch zum „Marxismus“ konvertierten russischen Revolutionärin liefert den Anlaß für die Briefentwürfe, in denen Marx die Quintessenz seiner Forschungen zur russischen Dorfgemeinde als dem letzten noch intakt gebliebenen Überbleibsel einer ursprünglich in ganz Europa und Asien verbreitet gewesenen gemeinschaftlichen Produktionsform, in mehreren Anläufen zu formulieren versucht.
Diese Briefentwürfe sind deshalb von so überragender Bedeutung, weil Marx bis auf das genannte Vorwort zum KM nichts mehr zu diesem Thema veröffentlicht hat. Deren Kernaussage ist, daß im Gegensatz zu der in Westeuropa stattgefundenen sogenannten „ursprünglichen Akkumulation“ nicht eine Form des Privateigentums in eine andere verwandelt wurde, sondern das gemeinschaftliche Eigentum der russischen Bauern in Privateigentum verwandelt werden soll. Um die drohende Vernichtung dieser Produktionsform durch die Liberalen solange wie möglich hinauszuzögern, plädiert Marx für einen russischen Sonderweg zum Sozialismus, den er solange für möglich hielt, wie diese Produktionsform durch den aufkommenden Kapitalismus noch nicht so vollständig zersetzt war, daß sie nach dem zu erwartenden Sturz des Zarentums wiederbelebt werden konnte.
Daraus ergibt sich eine grundlegende Differenz zum jungen Lenin, der als frisch gebackener „Marxist“ in den 90er Jahren alles daransetzt, um die russischen Revolutionäre mit allen Mitteln seiner genialen Überredungskunst von dem Irrtum zu heilen, daß der Kampf für die Aufrechterhaltung der Dorfgemeinde noch irgendeinen Sinn macht. Allerdings kannte Lenin nur die o.g. Einleitung zum KM. Die Briefentwürfe wurden erst Anfang der 20er Jahre veröffentlicht. Ob das an seiner radikalen Ablehnung der Ansichten der Volkstümler in dieser Frage viel geändert hätte, ist aber unwahrscheinlich. Fakt bleibt, daß die russische Dorfgemeinde in der Februarrevolution von 1917 ihre unerwartete Wiederauferstehung erlebte, allen zuvor stattgefundenen Versuchen des Zarentums zum Trotz, die russischen Bauern nach westeuropäischem Muster in Parzellenbauern zu verwandeln. Die von Lenin gegen Ende seines Lebens angestellten Überlegungen zur nachholenden Zivilisierung der russischen Gesellschaft kamen nicht nur zu spät, sie hatten auf seinen Hauptgegenspieler Stalin lediglich die Wirkung, daß dieser mit jenem Überbleibsel des archaischen Kommunismus endgültig kurzen Prozeß machte, indem er das Gemeineigentum der Dorfgemeinde in das kollektive Privateigentum der im Entstehen begriffenen neuen Klasse der Nomenklatura verwandelte.
Daher bleibt es müßig, sich heute vorzustellen, welche Auswirkungen eine andere als die Stalinsche (End-)Lösung der „Bauernfrage“ auf die revolutionäre Entwicklung in der restlichen Welt hätte haben können. Wenn wir uns heute die Zukunft der Menschheit vor Augen führen, haben aber auch die vergeblichen Träume vielleicht doch eine tiefere Bedeutung.

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Wozu die Auseinandersetzung über die elementaren Streitpunkte? »

Bei den folgenden „historisch-materialistischen Momentaufnahmen“[1] handelt es sich im Kern um die Untersuchung der Geschichte der partei Marx – natürlich nur im übertragenen Sinn, da diese keine organisatorische Kontinuität aufweist, wie sie Parteien der bürgerlichen Arbeiterbewegung gewöhnlich für sich in Anspruch nehmen. Dabei wird nicht um die Ergänzung oder Verbesserung der akademischen Geschichtsschreibung angestrebt, sondern das Anbringen von Markierungen für den Weg aus dem Sumpf der Konterrevolution von außen, vor allem aber von innen als historischer Aufriß, der nach Bedarf ergänzt und erweitert werden wird.

Die partei Marx wird sich nur an den Resultaten ihrer eigenen Geschichte (wieder-) erkennen, vor allem an der daraus gewonnenen Klarheit über die historischen Differenzen innerhalb der partei Marx selbst, im scharfen Kontrast sowohl zu den post-’stalinistischen‘ Revisionisten als auch den anti-’stalinistischen‘ Liquidatoren, – den linken Revisionisten, die sich mit dem Untergang ihres rot getünchten zaristischen Imperiums Ende des letzten Jahrhunderts nicht abfinden und als Erfüllung ihrer sozialistischen Sehnsüchte die europäische Arbeiterbewegung auf dessen Wiedererrichtung einschwören wollen; den rechten Liquidatoren, die, wie die Autoren des Schwarzbuchs des Kommunismus, angesichts der angeblich glänzenden Entwicklung des Kapitalismus die Oktoberrevolution schlichtweg für überflüssig erklären, wobei sie deren revolutionären Terrorismus einfach mit dem gegen die sowjetische Gesellschaft und das Leninsche Projekt gerichteten Staatsterrorismus Stalins auf eine Stufe stellen (eine einfachen Negation, mit der sie der Stalinschen Denkweise voll und ganz verhaftet bleiben).

Nur auf der Grundlage von Anatomie-Kursen im historisch-materialistischen „Spatzen-Sezieren“ (Mao Tse-tung) wird eine revolutionäre Strategie, die sich von derjenigen der bürgerlichen Arbeiterbewegung grundsätzlich unterscheidet, erörtert werden können – zumal fast alles, was heute nach Arbeiterbewegung aussieht, bürgerliche Arbeiterbewegung ist, deren Kursprogramme kaum irgendeine Abwechslung im Jahrzehnte lang eingeübten ‚Klassenkampf‘-Curriculum erkennen lassen. Hier gibt es viel zu tun.[2]

Aber das ist nur der eine Teil der Wahrheit. Denn die auf die Selbstreflexion der partei Marx orientierte ‚Geschichtsschreibung‘ wird unbedingt ergänzt werden müssen durch eine Kritik der Politischen Ökonomie des Sozialismus des 20. Jahrhunderts, worin das Marxsche Kapital ausnahmsweise nicht, wie so häufig, als theoretische Grundlage dazu mißbraucht wird, den „feudalen Sozialismus“ als ‚Realen Sozialismus‘ zu legitimieren, sondern ausgehend von den ökonomischen Tatsachen dahin zu gelangen, den spezifischen Ausbeutungscharakter dieser Produktionsform theoretisch zu enthüllen. Ohne eine solche, zumindest in ihren Grundzügen zu leistende Kritik sind alle neuen Träume vom Sozialismus reine Schimären.


[1] Vgl. den eine Diskussions-Veranstaltung der Sozialistischen Studienvereinigung in Frankfurt sehr gut zusammenfassenden Bericht „partei Marx“ (Vortrag und Diskussion) 10.07.2002. Veranstaltung mit E. U. Knaudt (Bochum) über seine Thesen zur Kontroverse: „Von der ‚partei Marx‘ zur internationalen Assoziation“, nachzulesen unter: Kritik 1 Anhang 2

[2] Dies als vorläufige Antwort auf die im Veranstaltungsprotokoll, Bericht „partei Marx“…, aufgeworfenen Fragen: „3. wurde der Bogen zum Projekt „partei Marx“ revolutionstheoretisch nicht immer sichtbar“ und „5. wurde von daher besonders der direkte Aufweis vermißt: welche Bedeutung hat all das … Rekonstruktionswerk in Zuspitzung auf aktuelle Globalkrise und neuen Konstellation für einen Anlauf der neu-proletarischen Weltrevolution.“?

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Keinen Schritt vorwärts ohne zwei Schritte zurück! »

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Ausgehend von dem Sieg der Konterrevolution über die proletarische Revolution in Rußland werden die bisherigen Rekonstruktionsversuche dieser politischen Katastrophe durch den „Marxismus“ für gescheitert erklärt. Dafür stehen die unaufgearbeiteten Streitpunkte, die mit Hilfe des Projekts partei Marx u.a. folgende Fragen zu klären haben:

  • das Fortwirken der „revolutionären Mission“ des zaristischen Rußland in der Stalinschen Konterrevolution;
  • der von Stalin mit der sog. Nationalen Frage verbundene linke Sozialimperialismus;
  • der davon durchdrungene antifaschistische Widerstand, der als Endergebnis zur weiteren Expansion des neuen großrussischen Zarentums geführt hat;
  • der antiimperialistische Befreiungskampf der Völker der „Dritten Welt“, der an der Kontamination der nationalen Bourgeoisie durch den linken Sozialimperialismus scheitern mußte.

In diesem Zusammenhang wäre auch der herrschende Mainstream des rechten und linken Ethnizismus aufzuarbeiten.

Die partei Marx arbeitet nicht an der Gründung einer „marxistischen“ Gegenpartei gegen die Parteigründungsversuche der post-DDR-Nomenklatura oder der politisch Bankrott gegangenen Parteibildungskonzepte der ehemaligen westdeutschen Linken. Dagegen läßt sich nicht bestreiten, daß die kritische Durchdringung des Wesens der kapitalistischen Produktionsweise durch die Marxsche Kritik der politischen Ökonomie (Das Kapital) nach dem Zusammenbruch des „Realen Sozialismus“ erst heute wirklich wahr und endgültig bestätigt worden ist.

Die Führungsmacht der Weltbourgeoisie versinkt immer tiefer im Sumpf weltweiter Rassenkriege, die sie unter dem Bruch des Völkerrechts gegen Angriffe des islamistischen Ethnizismus (Bin Ladin) und des linken Sozialimperialismus (Milosević u.a.) führt. In der sogenannten „Dritten Welt“ will der „Westen“ nach dem Untergang der der Sowjetunion keine bürgerlichen Nationen neben sich dulden, die sich zu seinen Konkurrenten emporarbeiten könnten. Die Befreiung des Irak von seinem orientalischen Despoten wird daher von ihr als Rassen- und nicht als Befreiungskrieg des irakischen Volkes geführt. Nicht nur, weil die westdeutsche Rest-Linke meint, Bin Ladin als „Antiimperialisten“ feiern zu müssen, haben die Leninsche Imperialismustheorie und seine „Revolution von oben“ jegliche politische Existenzberechtigung verloren.

Dies spätestens seit 1934, als sich mit Stalins Putsch gegen das eigene ZK Lenins Revolution „von oben“ in eine Konterrevolution „von innen“ verwandelt hat. Louis Bonapartes Putsch gegen Proletariat und Bourgeoisie hat in Stalin und Hitler gelehrige Schüler gefunden. Aus diesem tödlichen Zirkel, der sich als Wahl zwischen Pest und Cholera, zwischen der konterrevolutionären („zweiten“) Revolution Stalins und der revolutionären Konterrevolution Hitlers darstellt, werden sich die Parteigänger der Marxschen Partei nur durch eine Revolution in Permanenz und durch „zwei Schritte zurück“ zu Marx und Engels befreien können.

Nicht nur den USA, auch der westdeutschen Rest-Linken ist der Elfte September auf die Füße gefallen. Ihre „geniale Taktik“, den Feind ihres Feindes USA in Gestalt des Islamismus als Freund oder zumindest als taktischen Verbündeten zu betrachten, muß dazu führen, daß die Menschheit sich eines Tages in einer modernen Sklavenhaltergesellschaft wiederfindet, die die sehr viel subtilere kapitalistische Lohnsklaverei an Brutalität um einiges überträfe. In ihrer absoluten Feindschaft gegen die USA macht sich die westdeutsche Rest-Linke zu Feinden der Menschheit.

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Ein Gespenst geht um in Europa! »

… Aber der Kommunismus des XX. Jahrhunderts ist zum Gespenst seiner selbst geworden und was mit ihm seither umgeht, ist einzig sein notorisch schlechter Ruf bei den Proletariern aller Länder.

Der Kapitalismus, zerfressen von seinen inneren Widersprüchen, steht erneut vor einer Menschheitskatastrophe, aber die Totengräber in seinen Hochburgen, die diese verhindern könnten, befinden sich im Streik.

An ihrer Stelle drückt der proletarisierte under dog seinen Protest gegen das regierende linke bürgerliche Establishment in Wählerstimmen für populistische Seelenfänger aus, während von der ‚Peripherie‘ her das panislamistische Mittelalter mit einer tiefreaktionären Kulturrevolution seinen ‚Antikapitalismus‘ als Kampf gegen die ‚westliche Zivilisation‘ zum ‚heiligen‘ Endsieg führen will.

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