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BLogbuch 1 2010 : Von Petrograd nach Heiligendamm – Zum Programmentwurf der Partei Die Linke

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Inhalt

Im Mittelpunkt des Programmentwurfs der Partei Die Linke stehen nicht die ihrer Produktionsmittel beraubten − Produzenten des gesellschaftlichen Reichtums als revolutionäres Subjekt. An deren Stelle tritt ein pseudo-revolutionäres patchwork-Subjekt, das als Mehrheit für die Vergesellschaftung des von der reichen Minderheit privat angeeigneten gesellschaftlichen Reichtums eintritt; denn »eine Ökonomie der Enteignung macht Mehrheiten ärmer, um die Reichen reicher zu machen«. (1)


Folgt man dieser verqueren Dialektik, dann haben wir es nicht mit einem
sozialen Widerspruch zwischen den antagonistischen Klassen der bürgerlichen Gesellschaft, Lohnarbeit und Kapital, zu tun, sondern laut Programmentwurf mit einem politischen Gegensatz, dem Gegensatz zwischen einer Mehrheit der (immer ärmer werdenden) Konsumenten und einer (immer reicher werdenden) Minderheit von »Vermögensbesitzern und Spekulanten«. Der Reichtum scheint hier ebenso ‚selbstverständlich’ von den Reichen zu kommen, wie nach einer ironischen Bemerkung von Karl Marx die ‚Armut von der pauvreté’. (2) Dieser Ironie setzen die Verfasser noch einen drauf mit der süffisanten Bemerkung, daß nur »Reiche sich einen armen Staat leisten (können)«.


Leider zündet diese Ironie nicht wirklich, weil, erstens, der private Reichtum nicht von den Reichen, sondern bekanntermaßen aus der Mehrwertproduktion des Kapitals herrührt, den sie als Spekulanten einander wieder abzujagen versuchen und weil, zweitens, die Armen, wenn sie als Konsumenten in den Genuß des Reichtums der Reichen kommen wollten, sich einen (an Unterdrückungsorganen) reichen »Staat leisten« müssen, damit die Enteignung der Reichen in ‚geordneten Bahnen’ verläuft und verhindert wird, daß sich diese ihrer Enteignung entziehen.


Gehen wir dagegen mit Marx von einer
»Selbstregierung der Produzenten« (3) (des gesellschaftlichen Reichtums) aus, würde es dort weder »Reiche« geben noch einen »Staat«, der den Reichtum ‚gerechter’ verteilt, geben müssen. Das kann auch ohne einen wie auch immer gearteten Verteiler von den genossenschaftlichen Produzenten des gesellschaftlichen Reichtums selbst erledigt werden, d.h. in jedem Fall nicht durch so etwas wie den Staat.


Die
Armen verfügen dagegen außer dem von ihrer Armut ausgehenden moralischen Druck auf die übrige Gesellschaft, diese zu lindern, über keine gesellschaftliche Macht, wie das für Gewerkschaften zutrifft, was auch den Autoren des Programmentwurfs nicht entgangen ist. (4) (Nur, wer sind diese Gewerkschaften? Sind sie denn etwas anderes als eine Versicherungsagentur zum Schutz der Lohnarbeit vor der drohenden absoluten Verelendung und zum Schutz des Kapitals vor nicht mehr beherrschbaren Klassenkämpfen?)


Da aber laut
Programmentwurf und nach den Wahlkampfreden Linker Politiker die Armen immer ärmer werden, ist es irgendwann an der Zeit, daß die von der (reichen) Minderheit ins Elend gestürzte politische Mehrheit oder multitude (5) eine Linke Regierung die Macht ergreifen läßt, die den Reichen den privat angeeigneten gesellschaftlichen Reichtum Stück für Stück wieder abjagt, um ihn zu ‚vergesellschaften’. (‚Vergesellschaften’ in Parenthese, weil eigentlich nur eine »Selbstregierung der Produzenten« verhindern kann, daß der ‚vergesellschaftete’ Reichtum durch eine Linke Nomenklatura kollektiv reprivatisiert wird!) (4) Aus diesem Grund benötigt der Linke multitude-Sozialismus an der Macht einen mächtigen und sich ständig weiter aufblähenden Staatsapparat, der dafür Sorge trägt, daß unter Anleitung und Aufsicht der Linken Regierung der ‚vergesellschaftete’ Reichtum ‚gerechter’ verteilt und die zur Beschneidung des Reichtums der Reichen ausgesprochenen Verbote und Verhaltensmaßregeln eingehalten und kontrolliert werden.


Da sich die Deprivatisierung des gesellschaftlichen Reichtums aber laut
Programmentwurf »demokratisch« vollziehen soll (eine der am häufigsten verwendeten Lieblingsvokabel!), wird dem »Kartell der neoliberalen Parteien« das politische Kartell Der Linken in Gestalt einer Linken Einheitspartei entgegengesetzt werden müssen, die wiederum, um länger an der Macht zu bleiben (denn die ‚gerechte’ Verteilung des gesellschaftlichen Reichtums läßt sich schwerlich in einer einzigen Legislaturperiode erledigen!), alle Armen in einer modernisierten Form der Stalinschen Volksfront organisiert. (Wie das praktisch zu handhaben wäre, zeigen die aktuellen ‚bolivarianischen’ Vorbilder aus Lateinamerika, denen Die Linke ausdrücklich ihre »Solidarität« bezeugt.) (4)


Mit einer (modernisierten)
Volksfront-Regierung an der Macht wäre die ehemalige SED-PDS wieder an den Punkt zurückgekehrt, an dem der Aufstand der Mehrheit der DDR-Bevölkerung gegen das Knastregime der DDR-Nomenklatura 1989 politisch aus dem Ruder gelaufen war, weil die Besatzungsmacht für die Übertragung der Glasnost-Politik auf die DDR den Besatzungsmacht-Sozialismus hätte weiterhin künstlich am Leben erhalten müssen. Der war aber nicht mehr finanzierbar, weil der Input in Richtung DDR den kolonialen Output aus der DDR in Richtung Sowjetunion seit Jahren um ein Beträchtliches überstieg.


Was die Partei Die Linke ihren Wählern und Mitgliedern anbietet und mit diesem
Programmentwurf zum vorläufigen Abschluß bringt, ist, nach der ‚Wiedervereinigung’ des ‚Westens’ mit dem ‚Osten’, d.h. der überaus kostspieligen Abwicklung des Staatsbankrotts der DDR durch das deutsche Kapital (oder den sogenannten »Neoliberalismus«) und ihrem Beitritt zum Grundgesetz der BRD, eine ‚Wiedervereinigung’ der Linken des ‚Ostens’ mit derjenigen des ‚Westens’. Gemeinsam soll nun der lange Marsch in eine vom alten »stalinistischen« SED-Ballast befreite moderne Ausgabe der Stalinschen Volksdemokratie angetreten werden. (6)

Quellen: (1) Neues Deutschland 12.04.2010. (2) MEW 24,477. (3) MEW 17,339. (4) Nachweise im Programmentwurf siehe pdf-Version. (5) KRITIK 1 Zur Kritik am Projekt partei Marx, 6 ff. (6) BL709 Wie man in den Wald hineinruft.

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