EINspruch 

13.02.2023

Mit Putin verhandeln heißt: vor dem Faschismus kapitulieren!

Der Ende Dezember in der FAZ zu lesende Aufsatz Reinhard Merkels zum ‚Ukraine-Krieg‘: „Verhandeln heißt nicht kapitulieren“ (27.12.2022), hätte ab­züglich weniger Abstriche auch im Neuen Deutschland erscheinen können. Daß er dort nicht zu lesen war, sondern im traditionellen Zentralorgan der ‚westdeutschen Bourgeoisie‘, deutet vielleicht darauf hin, daß unter einem beträcht­lichen Teil ihrer Leserschaft die Solidarität mit ‚der‘ Ukraine ins Wanken gerät und ein starkes Bedürfnis vorhanden ist, einen vernünftigen Grund für ein distanzierteres Verhältnis zu Selenskyjs angeblichen Maximalforderungen und seiner militanten Beharrlichkeit zu entwickeln, mit der er Tag für Tag die Ukrai­ner mobilisiert, ihr Land zu verteidigen. Reinhard Merkel liefert als durch ihn selbst bestellter Anwalt der Zeitenwende-Regierung dafür die passenden juristischen Argumente, die im Prinzip darauf hinauslaufen, die Grundlagen des Kriegsvölkerrechts umzuinterpretieren, sodaß das Widerstandsrecht, das die Völker und Nationen gegen einen faschistischen Aggressor für sich in Anspruch nehmen, nicht mehr existiert. Dies geschieht hier dadurch, daß das „Recht im Krieg“ (ius in bello), wozu das Widerstandsrecht der Völker und Nationen ge­genüber einem fremden Aggressor gehört, durch eine angebliche „Pflicht“ (ius ex bello) des überfallenen Staates ‚ergänzt‘ wird verbunden mit der Aufforderung, mit dem Aggressor bedingungslos und unverzüglich ‚Friedens‘verhand­lungen aufzunehmen. Ein ‚hervorragendes‘ Argument für die Zeitenwende-Re­gierung, insbesondere den Bundeskanzler, der nach dem 24. Februar 2022 sei­ne engen Kontakte zu Putin keineswegs eingestellt hat ‒ man muß ja wohl mal mit seinem Kollegen telefonieren dürfen! ‒, verbunden mit der stillen Erwar­tung der ‚westdeutschen Bourgeoisie‘, daß die Rückkehr zum status quo ante Putin bald wieder möglich sein werde. Die ‚Opfer‘, auch die ‚moralischen‘, die diese seit dem 24. Februar 2022 erbracht hat, waren beträchtlich. Aber viel­leicht sind das auch ihre Chancen, beim Wiederaufbau ‚der‘ von Rußland in Grund und Boden gebombten Ukraine an führender Position mit dabei zu sein, um den Verlust der bisher äußerst lukrativen Beziehungen zum Nachfolgestaat der Sowjetunion ein wenig zu kommpensieren. ‚Wandel durch Handel‘ das war einmal! Diese Pille mußten auch die bisherigen Befürworter einer ‚vernünftigen‘ Ostpolitik schlucken, auch wenn ihnen das, wie aus den Kommentaren der von engen Putin-Freunden zu Putin-Kritikern gewendeten SPD-‚Kader‘ zu entneh­men ist, bitter aufstößt. Um so willkommener daher Argumente wie diejenigen Reinhard Merkels, die darauf hinauslaufen, die nicht ganz zu vermeidende Pflicht zur Solidarität mit Selenskyj durch die durchaus zumutbare Verpflich­tung zu ‚ergänzen‘, auch wenn Putin die von ihm eroberten Landesteile ‚der‘ Ukrajine noch nicht verlassen haben sollte, mit ihm unverzüglich Friedensver­handlungen aufzunehmen.

Zum Abschluß seines FAZ-Artikels gelangt Reinhard Merkel zu der ‚interessan­ten‘ Überlegung, daß ‚die‘ Ukraine, wenn sie weiterhin auf eine „Fortsetzung der Gewalt“ dringen und jegliche „Verhandlungen über deren Ende“ ablehnen würde, überaus „verwerflich“ handelte. Diese ganz im Stil Putins fabrizierte perfide Unterstellung, so als wäre in diesem Krieg der Staat Ukrajina und nicht Rußland der faschistische Aggressor, meint Merkel durch die äußerst fragwürdi­ge Interpretation des Völkerrechts untermauern zu müssen, die auf die direkte Empfehlung an die Bundesregierung hinausläuft, ihre (ohnehin recht zögerlich erfolgten) Waffenlieferungen an das vom russischen Imperium überfallene Land zunächst ganz einzustellen. Zwar habe Rußland, wie Merkel einräumt, mit der Annexion der Krim 2014 einen Völkerrechtsbruch begangen, dieser sei aber inzwischen dadurch geheilt, daß die Krim unter der „russischen Administration“ erneut in den „Zustand einer befriedeten Ordnung“ eingetreten sei und Ukraji­na mit dem „Versuch einer militärischen Rückeroberung“ der Krim ebenfalls das Völkerrecht brechen würde! Damit würde, wenn man außerdem, wie Merkel, über den putschistischen Charakter des „Anschlusses“ der Krim „an Rußland“ 2014 einfach hinwegsieht, nach der inzwischen verflossenen Zeit „die Friedens­maxime der UN-Charta“ als „die Grundnorm ihres Gewaltverbots Dominanz über abweichende Erwägungen zur territorialen Gerechtigkeit“ gewinnen. Zeit heilt Wunden.

Mit diesem Argument für einen „Anschluß“ der Krim „an Rußland“ begibt sich Reinhard Merkel, was sich kaum noch übersehen läßt, an die Seite des ‚Groß­raum-Völkerrechtlers‘ Carl Schmitt (Völkerrechtliche Großraumordnung mit In­terventionsverbot für raumfremde Mächte, 1941), der in einen würdigen Nachfolger gefunden hat!

Zum Schluß eine Erklärung aus gegebenem Anlaß:

Dieser EINspruch ist kein Aufruf für den Frieden in ‚der‘ Ukraine! Er ist eine Kritik an uns selbst und an uns als ‚westlichen‘ Europäern daran, allzu lange der pazifistischen Verharmlosung des Treibens der mosko­witischen Soldateska Putins gegen das Volk der Ukrainer und die ukrainische Nation meistens stumm zugeschaut und uns allzu selten oder nie klargemacht zu haben, daß der Pazifismus immer Teil des Problems gewesen ist und niemals Teil der Lösung sein kann.

Slava Ukrajini!


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