Reaktionen 

Reaktionen (2006)

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Die an dieser Stelle wiedergegebenen feedbacks zum Projekt Partei Marx haben im Augenblick nur archivalischen Wert, da die eingangs geäußerte Faszination an demselben, bis auf die nachstehend dokumentierten Ausnahmen, fast auf Null gesunken ist.

Daher verweisen wir auf die REFLEXIONEN, KRITIK und DEBATTE, worin wir uns mit unseren Kritikern und Autoren kritisch auseinandersetzen, die zu der Thematik, mit der wir uns zu beschäftigen haben, in, wie wir meinen, besonderer Weise hervorgetreten sind.

Zu Dokumentationszwecken wurden einige Briefe aus der Zeit vor 2001 aufgenommen.

In der letzten Zeit (seit dem Frühjahr 2007) haben die REAKTIONEN den einseitigen Charakter einer Art ‚Flaschenpost’ angenommen, die, so ist zu hoffen, wieder einem regeren Meinungsaustausch Platz machen wird.

[Korrekturen sinnentstellender Fehler sowie Kürzungen werden in eckige Klammern gesetzt und folgen der klassischen Deutschen Rechtschreibung.]

Dieser Text ist auch als PDF-Datei verfügbar

 


Von: „Django Schins“ django.schins@comlink.org

Datum: 4. Juni 2006 16:55:28 MESZ

An: …“Ernst-Ulrich KNAUDT“ …

Betreff: DIE DEUTSCHE LINKE und FUSSBALLWELTMEISTERSCHAFT

Guten Tag

Ich bitte um Weiterverbreitung folgenden Zitats (Autor: Eduardo Galeano):

„Wenn große Meisterschaften beginnen, erschrecke ich über mich: Bis gestern harter und wohl auch unbestechlicher Kritiker des kapitalistischen Spielsystems, dem wir alle ausgesetzt sind, werde ich über Nacht zum Apologeten des Balls. Und denke: Arme Tröpfe, die noch immer mit Profitsummen und Wirtschaftsstrukturen um sich werfen, um mir den klaren Kopf zu retten. Aber ich will jetzt keinen klaren Kopf mehr, ich will mich jetzt hemmungslos diesen Millionären hingeben, die ja eigentlich ein Hohn auf den sozialen Zustand der Welt sind.“

Zitiert nach: Hans-Dieter Schütt, Der lange Weg – zum Scheitern?

Neues Deutschland vom 3./4.06.2006


An Django (11.06.2006):

Hallo Django,

vielen Dank für die nachdenklichen selbstkritischen Überlegungen Eduardo Galeanos. Mehr gefreut habe ich mich aber darüber, von Dir wieder einmal zu hören, nachdem meine letzte E-Mail vor ich weiß nicht wie langer Zeit bei Dir nicht angekommen war.

Es ist auf jeden Fall ein Fortschritt in der Geschichte der Menschheit, daß sich seit der Antike und dann wieder seit Beginn des letzten Jahrhunderts die verschiedenen Völker nicht nur blutig bekriegen, sondern zeitweise die Konkurrenz ihrer herrschenden Klassen im sportlichen Wettstreit austragen. Daß der Sport gleichzeitig unter der vorherrschenden Produktionsweise ein riesiges Geschäft ist, verwundert nicht. Die größten Millionen kassieren dabei allerdings nicht die Sportler, sondern diejenigen, die das ganze Spektakel vermarkten. Am Beispiel Italiens kann man studieren, wie schnell sich dieser ganze Spaß in offene Kriminalität verwandelt, so daß allen Beteiligten der Spaß vergeht.

Ich wurde gefragt, ob ich nicht auch für die Mannschaft, die ich favorisiere, ein Fähnchen aus dem Fenster hängen wollte. Ich habe geantwortet, daß ich das nicht tun werde. Wenn ich in meinem Leben Flagge gezeigt habe, dann war das immer eine andere als diese. Natürlich wird der Impuls meiner Landsleute, gemeinsam mit den anderen Nationen Flagge zu zeigen, politisch weidlich ausgenutzt; aber ich kann ihn durchaus verstehen. Nirgendwo wird das Bekenntnis zur eigenen Nation so sehr in ein anti-faschistisches = antideutsches Schema gepreßt wie bei uns… Ich lasse das erst mal so stehen und verbleibe mit herzlichen Grüßen

Ulrich


An Partei Marx (13.06.2006):

Lieber Ulrich

Lebst Du doch noch?

Diese Frage – mit dem frechen Unterton, als hättest Du Dich unkorrekt verhalten – darf ich eigentlich gar nicht stellen, weil ich der Sünder bin.

Ich habe meine ausstehende Antwort auf Deine diversen Texte nicht vergessen, sie vielmehr im März 2004 beim Stand von 8.378 Wörtern unterbrochen wegen anderer Arbeiten.

[…]
Zur Zeit ordne ich meine diversen Ergüsse und werde dabei den Antworttext nochmals überlesen und vielleicht so wie er unfertig ist an Dich senden.

Jedenfalls freue ich mich sehr, von Dir zu lesen.

[…]
Herzliche Grüße

[Django]


An Django (18.06.2006):

Lieber Django,

die Freude ist, wie gesagt ganz meinerseits.

[…]
ad 2) Deine Antwort auf meine diversen Texte: schade, daß Du diese für Dich behalten hast. Sie hätte auf jeden Fall das Projekt pM sehr belebt, das momentan etwas vor sich hin dümpelt. Mein Vorschlag wäre: eine Zusammenfassung für die Rubrik REAKTIONEN mit einem Link zu dem umfassenden Text oder so was in der Art.

[…]
Die WM-Debatte lasse ich vorerst auf sich beruhen; ich habe inzwischen den Eindruck gewonnen, daß die ‚Linke‘ wieder mal dabei ist, sich wie gewohnt gegenüber den ‚Massen‘ fürchterlich zu blamieren. Darüber vielleicht das nächste Mal.

Es grüßt herzlich

Ulrich


An Partei Marx (19.06.2006):

Lieber Ulrich

[…]
Zu ad 2:

Ich habe meine Antwort auf Deine Texte nicht für mich behalten, wenn Du darunter verstehst, daß ich sie exklusivieren will. Ich habe sie nur nicht geschickt, weil sie noch unfertig sind. Ich werde mich aber bemühen, daß in der nächsten oder übernächsten Woche zu erledigen.

[…]
Herzlich
Django


An Django (21.06.2006):

Ich habe Deine Texte [1] gelesen, eine Nacht darüber geschlafen und bin zu folgendem vorläufigen Ergebnis gekommen. Die von Dir bevorzugte Taktik beruht, für sich genommen, auf einer durchaus klugen Dialektik (vielleicht eine Frucht der 8.378 Wörter?) in ihrer Verbindung von Parteibildung und Massenbewegung. Nur leider versuchst Du voller revolutionären Enthusiasmus einen Leichnam wiederzubeleben, der dieses höchst wertvolle Engagement nicht verdient. Da die Linke, um es sehr grob zu bestimmen, ihre ‚Hausarbeiten‘ nur widerwillig und ohne das erforderliche Engagement nur ungenügend erledigt hat, bewegt sie sich wie ein toter Stern, der von verschiedener Seite her künstlich mit Leben erfüllt werden soll, durch den Orbit. Die Trotzkisten gleichen schon seit ihrem Verrat am sterbenskranken Lenin 1924 einem toten Stern, und daß der Sozialimperialismus von Stalin bis Breshnew nicht durch einen ‚von oben‘ befohlenen Rückmarsch zum Lenin von vor 1924 zu neuem Leben zu erwecken war, haben Gorbis vergebliche Wiederbelebungsversuche eindringlich gezeigt… Letzten Endes werden der bürgerliche Sozialdemokratismus und ein durch neue Massenbewegungen aufgeplusterter Sozialimperialismus übrig bleiben. (Die DKP hat es immerhin zu einem Partei-Programm gebracht, worin naturgemäß die Beantwortung der spannendsten Fragen auf den St. Nimmerleinstag verschoben wurde).

Unser Hauptdissens besteht in der von Dir vollzogenen dichotomischen Trennung zwischen A[lten] S[ozialen] B[ewegungen] und N[euen] S[ozialen] B[ewegungen], worin sich die bereits von Stalin aufgestellte These als Abklatsch wiederfindet: der Leninismus ist der Marxismus in der Epoche des Imperialismus und der proletarischen Revolution usw. (Ich muß gestehen, daß ich diese These am Anfang meiner ‚Karriere‘ als sehr bestrickend empfunden habe; aber man lernt ja dazu, fragt sich nur in welche Richtung…). Heute bin ich der Ansicht, daß es weder einen ‚Marxismus‘ gibt noch eine Epoche des ‚Imperialismus‘ außer in der sozialimperialistischen Ideologie revolutionärer Kleinbürger (wobei ich unter Sozialimperialismus eine rote Abart des Bonapartismus à la ’18. Brumaire des Louis Bonaparte‘ verstehe). Dagegen ist der politische Klassenkampf, wie ihn Marx in der 1. Internationale organisiert und zur selben Zeit dafür die theoretischen Grundlagen gelegt hat – übrigens in einem nicht endenden Kampf gegen Theorien Lassalles und Proudhons, deren Pendants sich heute bei den Führern der NSB wiederfinden – neu zu definieren. Wir scheinen uns also, auch wenn wir uns zeitweise anzunähern scheinen, in verschiedenen Orbits zu bewegen, wobei Du einem toten Stern künstlich Leben einhauchen willst.

Es grüßt herzlich

Ulrich

1) Django Schins: Links ist, was Gegenmacht schafft. Einheit macht uns stark. Vielfalt macht uns stärker. Einheit in der Vielfalt macht uns am stärksten (Thesen zum Projekt einer NEUEN LINKEN in Deutschland) – work in progress – [django.schins@comlink.org]


An Partei Marx (21.06.2006):

Lieber Ulrich

[…]
Zur Vorbereitung auf unsere Diskussion bitte ich Dich, mir folgenden Satz ins Konkrete zu übersetzen:

„Unser Hauptdissens besteht in der von Dir vollzogenen dichotomischen Trennung zwischen A[lte] S[oziale] B[ewegungen] und N[eue] S[oziale] B[ewegungen], worin sich die bereits von Stalin aufgestellte These als Abklatsch wiederfindet: der Leninismus ist der Marxismus in der Epoche des Imperialismus und der proletarischen Revolution usw.“

Ich verstehe überhaupt nicht, was meine Überlegungen zur notwendigen Herstellung einer G[roßen] L[inken] K[oalition] und dann weitergehend einer G[roßen] S[ozialen] K[oalition] (notwendig deshalb, weil nur mit einem solchen Bündnis ein grundlegender Politikwechsel in Deutschland bzw. schließlich EU erreichbar sein wird) mit meiner tatsächlichen oder vermeintlichen dichotomischen Trennung zwischen ASB und NSB zu tun haben. Im übrigen ist dieser Aspekt leider nur notdürftig skizziert, noch gar nicht ausgearbeitet.

Es bedarf selbstverständlich einer organischen, produktiv-widersprüchlich-konstruktiven Verbindung zwischen beiden.

Gewiß brauchen wir eine geistige, theoretische Orientierung, noch mehr brauchen wir aber ganz konkrete politische Konzepte und eben diese strategische Orientierung (es handelt sich nicht um Taktik, da ich diese Kräfte nicht nutzen und dann auf dem Scheiterhaufen der Revolution zu verbrennen beabsichtige).

Wir sollten uns aber nicht über die richtige Weltanschauung streiten, obwohl ich mich ständig über Idealismus etc. ärgere, sondern darüber, was wir wollen!

Wollen wir z.B. eine Welt ohne Waffen, Kriege. Das ist für mich ein vorrangiges Ziel! Und dann wird sich u. a. anhand dieses Kriteriums zeigen bzw. es zeigt sich ja schon längst, welche Menschengruppen daran interessiert, befähigt und bereit sind, dafür mit zu kämpfen. Und es wird sich auch in der Praxis zeigen, ob „der“ Kapitalismus friedensfähig ist oder nicht (was ja Dogmatiker behaupten und was ich für längst widerlegt halte, siehe Schweden 200 Jahre ohne Krieg) oder nur bestimmte Kapitalismen.

Das revolutionäre Subjekt läßt sich ohnehin nicht am Schreibtisch entwerfen, sondern wird sich in den realen Kämpfen herausbilden oder nicht. In Südamerika ist dieses Subjekt vielfältig und es wird immer stärker – auch ohne echten Leninismus.

Es wird Dich entsetzen, aber ich sage mit aller Entschiedenheit: Wenn es zutrifft, daß Steinmeier wirklich die Atommächte an ihre Verpflichtung aus dem Atomwaffensperrvertrag, abzurüsten, nachhaltig erinnert, d.h. diese Bundesregierung eine authentische Politik atomarer Abrüstung betreiben wird, dann finde ich das höchst unterstützenswert. Die L.PDS wird dies gewiß tun.

In der Hoffnung dich mit meinem Reformismus hinreichend geschockt zu haben, verbleibe ich

mit herzlichem Gruß

Django


An Partei Marx (21.07.2006):

Lieber Ulrich

[…]
Was ich übrigens nicht recht verstanden habe, ist, warum Du nicht auf meine Kritik antworten willst. [1] Wenigstens diesseits des Internets.

Abschließend: Ich bestehe darauf, daß Du auf meine Kritik detailliert und konkret antwortest, ansonsten ich keine fruchtbare Zusammenarbeit erkennen kann.

Herzliche Grüße

Django

PS: In der Anlage findest Du…

[…]
REALISMUS MEETS DOGMATISMUS

Wenn ich [unsere bisherige Diskussion] auf den Punkt bringen müßte, würde ich folgendes sagen:

Du bist ein Dogmatiker reinsten Wassers. Dich treibt die fixe Idee eines reinen revolutionären Subjektes [2], das Du in den Schriften von Marx entdeckt hast [3], aber, da es realiter außerhalb dieser, objektiv-real, nicht zu finden ist und nie zu finden sein wird, weil in der Gesellschaft nichts rein ist, hast Du Dich – konsequent – fast völlig aus dieser zurückgezogen. Die reale revolutionäre Arbeiterklasse operiert, so sie denn überhaupt revolutionär operiert, genauso so unrein wie Menschen grundsätzlich und allgemein nun einmal handeln, weil sie höchst defizitäre Wesen sind. Die Solidarnosc ist dafür ein Paradebeispiel: Mit ihrem luziden historischen Weitblick, der ja der reinen Arbeiterklasse in der reinen Lehre qua ihrem historischen Beruf wesentlich ist, hat sie sich schließlich, von Walesa und dem Papst verarscht, statt der Ein-Parteien-Diktatur am Gängelband Moskaus die reaktionäre Herrschaft der eineiigen Kaczyński-Zwillinge eingehandelt.

Da sitzt Du nun in Deinem Elfenbeinturm, Deinen Kopf tief in die Heiligen Schriften versenkt und arbeitest für den (halluzinierten) Augenblick, da die Arbeiterklasse, wieder auf den abstrakten Geschichtsplan tretend, „eines Tages gezwungen sein wird“ […], revolutionär zu sein und auf Deine Arbeiten zurückzugreifen. Worte eines Schriftgelehrten!

Aachen, den 21.07.2006

1) Django Schins: Determinismus zum ersten. Kapitalismus & Kapitalismus. [Siehe: KRITIK 1 ANHANG 1]

2) „Proletarier aller Länder vereinigt euch!“ Thesen-Papier parteiMarx, Anhang zu Deinem Brief vom 30.11.2001. [Siehe: KRITK 1 ANHANG 3]

3) Dein Brief vom 12.01.2004, Seite 1: „Ich gehe zwar davon aus, daß es damit genauso steht, wie zu Marxens Zeiten…“ siehe bspw. [Karl Marx]: »Wenn das Proletariat die Auflösung der bisherigen Weltordnung verkündet, so spricht es nur das Geheimnis seines eignen Daseins aus, denn es ist die faktische Auflösung dieser Weltordnung.« Zur Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie. Einleitung, MEW 1, 391. Unverschämterweise wirfst ausgerechnet Du mir in diesem Brief vor, daß ich die Sache „nicht locker genug“ sehe.


An Django (27.07.2006):

Ich komme ich erst jetzt dazu, auf die Zusendung Deines umfangreichen Materials zu antworten und mich speziell für die Berücksichtigung meines alten Freundes Uwe-Jens Heuer zu bedanken [1] (Ich hoffe, Du hast die REFLEXIONEN zu diesem Autor wenigstens mal angelesen!).

[…]
Ansonsten lassen sich meine von Dir inkriminierten Äußerungen zu Kommunismus etc. nicht von dem Projekt pM trennen, auf das en detail einzugehen, Du Dich allerdings bislang gesträubt hast.

Soweit erst mal,

mit herzlichen Grüßen Ulrich

1) Uwe-Jens Heuer: Worum geht es? Krieg und Imperialismus oder der Sozialismus auf Kuba. Eine Antwort auf Michael Brie, in: junge Welt (05.04.2006).


An Django (12.08.2006):

Lieber Django,

der Anhang Deiner letzten E-Mail läßt sich leider nicht öffnen. Der Anhang zu Cuba war interessant; ich frage mich nur, wieso Du diese dichotomische (Marx: in polarischen Gegensätzen sich bewegende, die Franzosen sagen: manichäische) Denkweise, die in diesem Blatt gepflegt wird, bei der WSAG-Opposition (eigentlich zu recht) kritisierst und auf der anderen Seite kritiklos (trotz Ironie?) zu akzeptieren scheinst. Die Ironie ist ja wohl eher gegen mich gerichtet…

[…]
Es grüßt herzlich

Ulrich


An Partei Marx (13.08.2006):

Guten Tag lieber Ulrich

[…]
Meine vorletzte Mail war die vom Mo 07.08.2006 11:30. Darin befand sich ein Anhang u.a. über Cuba. [1] Es wäre nützlich für mich, wenn Du konkreter erläutern könntest, wo Du darin eine dichotomische Denkweise sich manifestieren siehst. So jedenfalls verstehe ich Deinen Einwand nicht, da die gute Isabel eine Einschätzung gibt, die hinsichtlich der zwei „Formen“ mir durchaus plausibel zu sein scheint (wenngleich ich hinsichtlich der „Änderung durch die Bevölkerung bzw. Katastrophe“ ganz anderer Meinung bin, denn jedenfalls eine – allmähliche – Demokratisierung Kubas würde die „Revolution“ dort nicht gefährden, sondern retten, d.h. den Sozialismus wie er sein sollte überhaupt erst herstellen. Dazu ist Castro aber schlicht zu altersstarrsinnig, bzw. die Nomenklatura desinteressiert), da ein „Ende durch die Bevölkerung“ und eine Invasion hier nicht in Wechselwirkung (Dialektik) stattfinden werden, da die Bevölkerung m. E. eben dazu nicht bereit ist.

„Ich will damit sagen, daß es rein theoretisch zwei Formen vom Ende des Systems in Kuba geben kann. Eine durch die Bevölkerung, die ich nicht für wahrscheinlich halte, und eine durch eine militärische Invasion. Wenn die Bevölkerung selbst eine Änderung wollte, wäre das für Lateinamerika eine Katastrophe. Viele Menschen könnten das nicht verstehen und würden ihre Hoffnung verlieren. Kuba ist heute mehr als ein Beispiel für die Region, es ist die lebende Hoffnung. Wenn Kuba aber angegriffen würde, hätte das keinen negativen Effekt in bezug auf das Bewußtsein in Lateinamerika.“ [2]

Herzliche Grüße

Django

1)Die Menschen in Kuba wollen keinen Wechsel“. Diskussion über Machtverhältnisse in Lateinamerika bei der ATTAC-Sommerakademie. Ein Gespräch mit Isabel Rauber, in: junge Welt 07.08.2006.
2) Ebenda.


An Django (22.08.2006):

Lieber Django,

[…]
Nun zu Kuba:

Ich frage mich, worin sich Isabel Raubers Unterteilung von Regierungen „in links und nicht-links“ von der manichäischen Unterteilung in „gut und böse“ unterscheidet? Ich kann zwischen ihrem politischen und moralischen Manichäismus keinen Unterschied erkennen, obwohl Isabel Rauber behauptet, es bestünde einer („keine Unterteilung in gut und böse, sondern{!?}eine in links und nicht links“).

Das Denken in solchen Schwarz-Weiß-Schemata ist typisch für eine Denkweise von Leuten, die die gesellschaftliche Wirklichkeit Lateinamerikas erstens in Kategorien fassen, die sie aus einer bestimmten Tradition unkritisch (-historisch, -materialistisch) weiter hinter sich herschleifen („antiimperialistische Politik“) und die zweitens die Möglichkeit zur Beseitigung dieser Verhältnisse ausschließlich auf den gesellschaftlichen ‚Überbau’ projizieren („linke Regierungen“). Die Erwartung Isabel Raubers, daß der linke caudillismo in Lateinamerika etwas besseres zustandebringen wird, als der notorisch rechte in der Vergangenheit, ist eine auf „linke Regierungen“, d.h. auf linke caudillos projizierte Wunschvorstellung. Daß solche bonapartistischen Demagogen von den Volksmassen gewählt werden, spricht zwar für den von diesen gehegten Wunsch nach radikalen sozialen Veränderungen, die sich jedoch in für eine bestimmte Wähler-Klientel gestifteten singulären Vorzeigeprojekten erschöpfen.

In ihrer Rolle und Funktion als Wählermassen werden „indigenas“ oder „soziale Bewegungen“, ob sie (oder wir hier) es wollen oder nicht, zu einem Teil des Überbau-Phänomens „linke Regierungen“, dessen linker Bonapartismus letztlich nur durch einen „antiimperialistischen“ Polizeistaat oder Schlimmeres am Leben zu erhalten ist. Davon haben die meisten Kubaner jedenfalls genug, obwohl es wohl kaum jemanden unter ihnen gibt, der/die sich die Wiedereröffnung Kubas als nord-amerikanisches Hurenhaus ernsthaft wünschen kann, während Kuba längst zu einem offiziell geduldeten europäischen Straßenstrich durch den Tourismus geworden ist.

Aber solange die Linke mit der nach Kuba emigrierten Philosophin solchen Überbau-Phänomenen verhaftet bleibt, werden für die absehbare Entwicklung in Kuba nur Schein-Alternativen übrigbleiben, in denen auch Deine Überlegungen befangen zu sein scheinen. Ich bleibe dabei, daß zur Veränderung der wirklichen Verhältnisse es nicht nur einer radikalen Kritik dieser Verhältnisse, sondern vor allem ihrer Kritiker bedarf.

Übrigens lese ich gerade in der FAZ, daß der schlaue Fidel schon im Juli den PCC zu seinem Nachfolger auserkoren und das Sekretariat des PC als Machtzentrale wieder aus der Versenkung hervorgeholt hat. Ein schlauer Schachzug, den er Stalin abgeschaut zu haben scheint; mal sehn, wer sich aus den zu erwartenden Diadochenkämpfen der Parteisekretäre als kubanischer Stalin profilieren wird. Aber bekanntlich wiederholt sich Geschichte nur als Farce.

[…]
Damit hoffe ich die in Deiner E-Mail vom 13.08. aufgeworfene Frage fürs erste beantwortet zu haben.

Herzliche Grüße

Ulrich


An Django (31.12.2006):

Lieber Django,

nachdem wir uns vereinbarungsgemäß seit dem letzten Spätsommer angeschwiegen haben, präsentiere ich Dir in Erfüllung unserer Vereinbarung die Texte, von denen ich hoffe, daß sie dazu beitragen werden, unser gegenseitiges Beschweigen zu beenden.

[…]

Ich werde, gravierende Einwände Deinerseits ausgeschlossen, alle 5 Texte in den nächsten Tagen ins Netz stellen.

Da ich davon ausgehe, daß Du zu Deiner Kritik an der pM nach wie vor stehst, und ich bei aller Polemik in meinen Texten glaube die Grenze zur persönlichen Diffamierung nicht überschritten zu haben, spricht auch nichts dagegen (vorbehaltlich einzelner stilistischer Änderungen oder solche am Layout) diese Texte alle ins Netz zu stellen.

Mit den besten Wünschen für das Neue Jahr und herzlichen Grüßen

Ulrich

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